CDU-Landesparteitag 1988: Der Tag, an dem ein Monument stürzte

Mainz · Der CDU-Politiker Bernhard Vogel wird heute, Mittwoch, 80 Jahre alt. An seinen Wirkungsstätten wird er daher derzeit gewürdigt, so in Erfurt, wo er nach der Wende als Ministerpräsident wirkte. Aber auch in Mainz, wo seine Zeit als Landesvater auf denkwürdige Art 1988 endete. Unser Autor Dieter Lintz blickt zurück.

Man schrieb Freitag, den 11. November 1988, aber selbst den karnevalserprobten Mainzer Delegierten war an diesem trüben Herbstabend nicht nach Witzen über das Datum zumute. Die Spannung über der Koblenzer Rhein-Mosel-Halle konnte man förmlich mit Händen greifen, stand doch beim CDU-Landesparteitag ein bis dahin unvorstellbarer Vorgang auf der Tagesordnung: Herausforderer Hans-Otto Wilhelm machte sich auf, ein Monument der Partei zu stürzen - den seit 12 Jahren amtierenden Ministerpräsidenten Bernhard Vogel
Es war Vogel selbst, der beim politischen Poker alles auf eine Karte gesetzt hatte. Wilhelm wollte ihn, zumindest vorläufig, nur an der Parteispitze beerben, aber der Regierungschef hatte auf den Versuch der feindlichen Übernahme mit einer rigorosen Kampfansage reagiert: Verliere er sein Parteiamt, trete er auch als Ministerpräsident zurück.
Bis dahin hatte der redegewandte Junggeselle Vogel unangefochten regiert, musste allerdings seit 1987 nach Jahren der CDU-Alleinherrschaft die Macht mit der FDP teilen. Es grummelte an der Basis, weniger wegen der Regierungsarbeit als wegen Ermüdungs- und Abnutzungserscheinungen innerhalb der Partei. Und doch konnte sich Bernhard Vogel auf der sicheren Seite wähnen. Er hatte den allgewaltigen Helmut Kohl auf seiner Seite, die Parteigranden Heiner Geißler und Georg Gölter, die Trierer um seinen loyalen Stellvertreter Carl-Ludwig Wagner und den aufstrebenden Christoph Böhr. Was sollte da passieren?
Aber Wilhelm hatte im "Untergrund" seine Truppen versammelt. In der Region Trier galten Peter Rauen und Bauernfürst Günter Schartz sen. als Gefolgsleute, in Koblenz zog ein Regierungspräsident (und Fußballfan) namens Theo Zwanziger die Fäden für die Wilhelm-Freunde. Ihre Strategie: Vogel nicht persönlich anzugreifen, sondern für eine institutionelle Trennung von Partei- und Regierungsamt zu plädieren. Bernhard Vogel, von sich selbst und seiner Unersetzbarkeit gleichermaßen überzeugt, witterte die Gefahr nicht. Seine Parteitagsrede war die eines Patriarchen, der Gegenwind als Majestätsbeleidigung empfand. Wilhelm dagegen, mit eher rustikaler Rhetorik ausgestattet, gab recht geschickt den Vorkämpfer der Basis. Das Ergebnis der Vorsitzenden-Wahl war ein Schock: 258 Stimmen für Wilhelm, 189 für Vogel. Keine Niederlage, ein politisches Begräbnis für Vogel, auch in der Höhe. Der von seiner Partei aus dem Amt Geprügelte saß zusammengesunken auf seinem Stuhl unter den Delegierten, musste sich das laute Gejohle und die Standing Ovations der Wilhelm-Fans anhören und wankte schließlich mit wächsernem Gesicht zum Rednerpult.
"Der 2. Dezember ist mein letzter Arbeitstag als Ministerpräsident", presste er wie gelähmt hervor, und den berühmtesten Satz seiner Karriere: "Gott schütze Rheinland-Pfalz". Dann rannte er mit starrem Blick aus dem Saal, einige wenige Getreue versuchten vergeblich, mit ihm Schritt zu halten. Was keiner ahnte: Für die rheinland-pfälzische CDU begann so der Weg in ein Vierteljahrhundert abseits der Macht. Für Vogel begann der Weg in eine neue, glänzende Karriere.

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