Chance für die Großen

Ende des Aufschwungs, Angst in der Bevölkerung, Panik an den Börsen. Das bleibt nicht ohne Auswirkungen auf den bevorstehenden Bundestagswahlkampf.

Berlin. (wk) Richard Hilmer, Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstituts In-fratest-Dimap, sieht vor allem die großen Volksparteien im Vorteil, wie er unserem Korrespondenten Werner Kolhoff erläuterte.

Wie verändert die Finanzkrise die Ausgangslage für den Bundestagswahlkampf?

Hilmer: Auch wenn es jetzt gelingt, die Krise in den Griff zu bekommen, werden wir 2009 mit den ökonomischen Folgen konfrontiert sein. Ein wichtiges Entscheidungskriterium der Bürger wird sein, welche Partei die Wirtschaft am besten wieder ankurbeln kann.

Wird auch das Thema Arbeitslosigkeit wieder in den Vordergrund rücken?

Hilmer: Das hängt davon ab, wie stark die Krise auf den Arbeitsmarkt durchschlägt. Ganz sicher werden aber die Alterssicherungssysteme wieder thematisiert werden. Rentensysteme, die nur auf Privatvorsorge setzen, sinken im Ansehen, die sozialen Sicherungssysteme gewinnen.

Bedeutet das, dass die CDU nicht wieder mit so einem Reformprogramm kommen kann, wie sie es vor der letzten Wahl in Leipzig verabschiedet hatte - Stichwort Kopfpauschale?

Hilmer: Die Union hat das Leipziger Programm inzwischen sowieso eingestampft. Nach dieser Krise wird man beim Thema Privatisierung der sozialen Sicherungssysteme viel vorsichtiger sein als früher. Die Krise führt insgesamt zu einer Renaissance des Staates. Von der Politik wird viel mehr erwartet.

Wer wird davon parteipolitisch profitieren? Vielleicht die Linke mit Oskar Lafontaine?

Hilmer: Das ist für ihn ambivalent. Einerseits hat er oft auf die Missstände im Finanzsektor hingewiesen, andererseits wird man ihm vorhalten, dass er als Finanzminister aus seinem Amt geflohen ist. Die Bürger haben in solchen Krisenzeiten ein gutes Gespür dafür, wer Vertrauen verdient.

Und wer ist das?

Hilmer: Bislang sind das eindeutig die beiden großen Parteien. Sie sind in der Regierung und können jetzt beweisen, dass sie mit dieser Krise fertig werden. Die Krise bietet Union wie SPD die Chance, sich wieder als zentrale Institutionen im Parteiengefüge zu revitalisieren. Wider Erwarten sind sie nach der Bayern-Wahl ja auch nicht sofort in einen frühen Bundestagswahlkampf übergegangen. Sie haben diese Chance offenbar erkannt.

Ist also eine Neuauflage der Großen Koalition wahrscheinlich?

Hilmer: Das ist keine Konstellation, mit der man in den Wahlkampf zieht. Aber sie kann das Ergebnis sein. Schauen wir uns die Alternativen an. Für Schwarz-Gelb ist wegen der Schwäche der Union eine Mehrheit ohnehin fraglich. Und die jetzigen Ereignisse stärken dieses Modell nicht gerade. Eine linke Mehrheit aus SPD, Linken und Grünen ist noch unwahrscheinlicher geworden, denn die Bürger werden eine verlässliche, stabile Regierung wollen. Insofern kann das Ergebnis tatsächlich wieder eine Große Koalition sein. Zumal dann, wenn die Krisenbewältigung durch Angela Merkel und Peer Steinbrück erfolgreich verläuft.

Gibt es Themen, die jetzt in den Hintergrund rücken, etwa der Klimaschutz?

Hilmer: Die Gefahr besteht. Aber gerade beim Klimaschutz tickt die Uhr weiter, und die Menschen wissen das. Die Parteien wären gut beraten, die wirtschaftliche Entwicklung und den Klimaschutz miteinander zu verbinden. Da hat besonders Deutschland ein großes Potenzial.

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