Christian Wulff kostet den Steuerzahler künftig 280 000 Euro - pro Jahr

Berlin · Die rasche Entscheidung des Bundespräsidialamtes, dem zurückgetretenen Präsidenten Christian Wulff den Ehrensold von 199 000 Euro pro Jahr bis zum Lebensende zuzubilligen, sorgte auch gestern in Berlin für Aufregung. "Voreilig und falsch", monierten die Kritiker. Inzwischen wird über eine Reform der entsprechenden Gesetzgebung nachgedacht.

Berlin. Wieso erhält Wulff den Ehrensold? Nach Ansicht des Bundespräsidialamtes erfüllt er die Voraussetzungen dafür. Der Ehrensold steht dem Staatsoberhaupt gemäß Gesetz zu, wenn es "mit Ablauf seiner Amtszeit oder vorher aus politischen oder gesundheitlichen Gründen aus seinem Amt" ausscheidet. Laut Präsidialamt ist Wulff "aus politischen Gründen" nach nur 598 Tagen zurückgetreten: "Es waren objektive Umstände für eine erhebliche und dauerhafte Beeinträchtigung der Amtsausübung gegeben."
Wer hat das entschieden?
Offiziell der Leiter des Personalreferats im Bundespräsidialamt. Gebilligt hat die Entscheidung aber wohl auch Lothar Hagebölling, Chef des Präsidialamtes. Er ist ein enger Vertrauter Wulffs. Hagebölling war bereits Chef der Staatskanzlei, als Wulff noch niedersächsischer Ministerpräsident gewesen ist.
Was spricht dagegen, dass Ex-Präsident Wulff den Ehrensold bekommt?
Auch aus den Reihen der Koalition heißt es, Wulff sei aus "rein privaten Gründen" zurückgetreten. Deshalb stehe ihm der Ehrensold nicht zu. Noch deutlicher wird ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, das unserer Zeitung vorliegt: Privates Fehlverhalten könne nicht als Begründung für einen Rücktritt aus politischen Gründen vorgebracht werden, heißt es darin. Politische Gründe seien "schwerwiegende Differenzen über die Innen- oder Außenpolitik der Bundesregierung". Die hat es bekanntlich zwischen Wulff und Kanzlerin Angela Merkel nicht gegeben.
Lässt sich an der Entscheidung noch etwas ändern? Der Rechtsexperte der Linken, Wolfgang Neskovic, sagte gestern dem Trierischen Volksfreund, juristisch seien vom Präsidialamt Fakten geschaffen worden. Er sehe auch keine Möglichkeit, "dass irgendjemand dagegen klagen kann". Das seit 1953 geltende "Gesetz über die Ruhebezüge des Bundespräsidenten" sieht zudem eine Überprüfung nicht vor. Gleichwohl muss der Haushaltsausschuss des Bundestages die 199 000 Euro jedes Jahr mit dem Etat des Bundespräsidialamtes freigeben. Unklar ist, ob die Parlamentarier die Freigabe überhaupt verweigern können.
Spielen die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen Wulff eine Rolle?
Die Kritiker sagen, die Entscheidung hätte bis zum Abschluss der Ermittlungen und eines eventuellen Strafverfahrens zurückgestellt werden müssen. Bei einer Verurteilung wäre dann offensichtlich, dass Wulff der Ehrensold nicht zustehe. Aber auch hier gilt: Die Debatte bewegt sich auf juristischem Neuland, weil es einen solchen Fall noch nie gegeben hat. Daher lässt sich streiten, ob nach einer Verurteilung der "begünstigende Verwaltungsakt" pro Wulff wieder aufgehoben werden muss.
Bekommt Christian Wulff sonst noch etwas?
Zusätzlich zum Ehrensold erhält der Bundespräsident a. D. ein Büro mit Ausstattung, eine Mitarbeiterstelle, einen Dienstwagen, Chauffeur und Personenschutz. Diese Leistungen summieren sich auf Kosten von 280 000 Euro im Jahr. Den Ehrensold muss Wulff versteuern, seine Pensionen als Ministerpräsident (ab 60 Jahre) und als Landtagsabgeordneter (ab 57 Jahre) werden dann angerechnet. Einkünfte aus einem neuen Job im öffentlichen Dienst werden ebenfalls berücksichtigt.
Was ist mit seiner Frau?
Sollte Wulff plötzlich versterben, erhält sein Frau Bettina den Ehrensold noch weitere drei Monate, anschließend ein daraus errechnetes Witwen- und Waisengeld.
Wie will die Politik jetzt auf den Vorgang reagieren?
Die Stimmen werden lauter, die die Ehrensold-Regelung reformieren und an das öffentliche Versorgungsrecht anpassen wollen. Ehemalige Präsidenten dürften nicht "derart hoch alimentiert werden", heißt es aus der SPD. "Das passt nicht mehr in die heutige Zeit, auch der Begriff Ehrensold nicht", so Neskovic.

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