Christoph Böhr: Ich trete an

MAINZ. Unmut an der Urne: Eine Denkzettelwahl hat der SPD im Land ein Debakel beschert. Trotz leichter Verluste ist die Union klarer Sieger. CDU-Parteichef Christoph Böhr will mit dem Wahlergebnis als Rückenwind nun Spitzenkandidat für die Landtagswahl 2006 werden.

Christoph Böhr hatte allen Grund, mit den über den Bildschirm flimmernden Hochrechnungen zufrieden zu sein. Die Verluste nach dem Rekordergebnis bei den Europawahl 1999 mit 50 Prozent hielten sich in engen Grenzen, die Gefechtslage in den Kommunen zeigte sich zu Beginn eines langen Auszähl-Marathons durchwachsen. Die hoch gesteckten Erwartungen auf Seiten der Union wurden einigermaßen erfüllt, während die SPD von einem Absturz heimgesucht wurde, den man laut Generalsekretär Roger Lewentz so nicht befürchtet hatte. Von einem bitteren Tag für die Sozialdemokraten sprach Parteichef Kurt Beck. Neun Prozent Verluste drücken die Genossen landesweit auf rund 25 Prozent. Zahlen, die die SPD lange hinter sich wähnte.Frust bei den Sozialdemokraten

Auch von der Kommunalwahlfront kamen keine Nachrichten, die aufbauen konnten. Die Bürger hätten offenbar geglaubt, durch Nichtwählen oder Abstrafen Reformpolitik verhindern zu können, so ein verständnislos wirkender Regierungschef. Doch am grundlegenden Kurs auf Bundesebene will er auch nach dem Wahldesaster nicht rütteln. Von großem Auftrieb und deutlichem Rückenwind spricht dagegen Christoph Böhr, selbst wenn das gesteckte Ziel knapp verfehlt wurde. Noch im Laufe des Wahlabends erklärte der CDU-Vormann, dass er bei der Landtagswahl 2006 als Spitzenkandidat seiner Partei gegen Ministerpräsident Beck antreten wolle. Er sei bereit, die Herausforderung anzunehmen, sagte Böhr. Das Ergebnis sei sicherlich keine Schwächung des Landesvorsitzenden. Beim ersten Versuch, Regierungschef in Rheinland-Pfalz zu werden, war er 2001 gegen Beck gescheitert. Nach Angaben von Böhrs Stellvertreter Adolf Weiland soll zwar "der Ball in der Kandidatenfrage flach gehalten werden". Doch Böhrs Intimus geht davon aus, dass die Angelegenheit "noch in diesem Jahr geregelt wird". Auch CDU-Schatzmeister Herbert Jullien wertet das CDU-Abschneiden als klares Zeichen für eine Spitzenkandidatur des Parteichefs. Von der für heute anberaumten Sitzung des Vorstandes erwartet er ein Signal für die Kandidatur Böhrs. Dieser selbst verweist viel sagend darauf, dass die SPD trotz der Popularitätswerte ihres Parteichefs Beck bei der Europawahl nur noch die Hälfte des Stimmenanteils der Union erreicht habe. Der wegen niedriger Beliebtheitswerte umstrittene Parteichef erwartet, dass sich CDU wie SPD in den nächsten Monaten intensiv damit beschäftigen werden, ob durch Persönlichkeitswerte Wahlen zu gewinnen sind. Freudiges Strahlen herrschte bei den Grünen. Sowohl bei der Europa-Wahl wie auch bei den Kommunalwahlen erreichten sie teilweise eine Verdoppelung ihrer Ergebnisse. Die Partei habe auf breiter Front gewonnen und landesweit Platz drei erreicht, sagte Parteichef Manfred Seibel. Deutliche Zuwächse konnte auch die FDP reklamieren. "Ein tolles Ergebnis", sagte Parteivorsitzender Rainer Brüderle. Die Denkzettelwahl sei eine schallende Ohrfeige für Rot-Grün. Dass die FDP mit zugespitzten, aber auch unangenehmen politischen Botschaften den Einzug in das EU-Parlament schaffe, widerlege alle diejenigen, die in den Liberalen nur eine Funktionspartei sähen.

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