Chuck Berry; Der König ist tot - sein Rock ’n’ Roll lebt!

St Louis · Chuck Berry ist am Samstag im Alter von 90 Jahren gestorben. Sein letzter Aufritt in der Region ist noch keine zehn Jahre her. Warum er unvergessen bleibt und was ihn mit Beethoven verbindet. Eine Hommage an den Rock-’n’-Roll-König.

 Das Foto zeigt Chuck Berry in der Rockhal Esch im Jahr 2007. TV-Foto: Archiv/Hans Krämer

Das Foto zeigt Chuck Berry in der Rockhal Esch im Jahr 2007. TV-Foto: Archiv/Hans Krämer

Foto: Hans Krämer (Hjk) ("TV-Upload Kr?mer"

Marvin Berry ist ganz aufgeregt, das hier muss er teilen. Schließlich hört er gerade die Zukunft, er sieht sie, sie robbt vor ihm über die Bühne, in Gestalt von Marty McFly. Die Zukunft heißt: wilde Gitarre, weg vom dumpfen Dasein als braves Begleitinstrument. Einmal ausrasten, bitte, aber komplett. Ganz egal, was die anderen denken, bei denen die Revolution noch nicht in Bauch, Beinen und Herz angekommen ist. "Hör dir das an", ruft Marvin Berry ins Telefon. Am anderen Ende ist sein Cousin Chuck Berry, der die Geburt des Rock 'n' Roll im Jahr 1955 eben so miterlebt, plärrend durch die Leitung.

So erzählt Robert Zemeckis Zeitreisen-Klassiker "Zurück in die Zukunft" die Geschichte. Das ist künstlerisch sehr frei, geschichtsklitternd, es sind fake news vom Feinsten, ist ja auch nur ein Film - denn Chuck Berry brauchte natürlich keinen Marty McFly alias Schauspieler Michael J. Fox, um die Gitarren von der Leine zu lassen und die Pop- und Rockmusik der nächsten Jahrzehnte entscheidend zu beeinflussen. Das konnte er allein.

"Johnny B. Goode", Chuck Berrys wichtigster Hit, geht tatsächlich zurück aufs Jahr 1955, auch wenn er erst drei Jahre später veröffentlicht wurde. Aber auch "Roll over Beethoven" (1956) machte textlich und musikalisch klar, dass hier nicht mehr gekuscht wird. Verzieh dich, Beethoven - die Ansage war weniger an den Komponisten als an Chuck Berrys Schwester gerichtet, die das Klavier im Haus mit Klassik blockierte. "Roll over Beethoven" wurde zu einem seiner größten Hits. Ein Song, der sein Selbstbewusstsein zeigte: Rock 'n' Roll hieß für ihn auch, sich nicht allen Konventionen unterzuordnen. Regeln sind da, um sie zu brechen. Gitarren, um auch mal in die Saiten zu dreschen. Und überhaupt: Die ganze Bravheit hat noch selten Großes hervorgebracht. Das hat Berry in weniger hellen Momenten seines Lebens auch mal in den Knast gebracht. Aber dafür wird er nicht in Erinnerung bleiben.

Blutjung war der 1926 in St. Louis geborene Charles Edward Anderson Berry nicht mehr, als er zum Star wurde. Zuvor hatte er sich am traditionelleren Blues versucht, inspiriert von Nat King Cole und Muddy Waters. Aber der Erfolg kam mit dem eigenen Weg. 1986 wurde er erstes Mitglied in der Rock 'n' Roll Hall of Fame.

Chuck Berrys letzter Aufritt in der Region ist noch keine zehn Jahre her. Da spielte er, damals 81 Jahre alt, in der Rockhal Esch. Nur 900 Leute wollten ihn damals sehen. Das ist für eine Legende, ohne die es die Beatles nach eigener Einschätzung nicht gegeben hätte, natürlich enttäuschend. Der Auftritt war's nicht - auch wenn Chuck Berry schon mal am richtigen Akkord vorrutschte. Aber, hey, auch das ist Rock 'n' Roll.

Den "Duckwalk" deutete er damals nur noch an: Sein legendärer Watschelgang inspirierte nicht nur Angus Young von AC/DC, er gilt auch als Vorbild für die Tanzstile von von Mick Jagger und Michael Jackson. Den markanten Gang verdankte Berry einer Anekdote zufolge im Jahr 1956 seinen zerknitterten Klamotten: Seine Band kam vor einem Gig so spät an, dass sie sich nicht mehr umziehen konnte. So turnte Berry über die Bühne, um von seinem Knitterlook abzulenken.

Und das kam bestens an - also behielt er es bei. Rolling-Stones-Sänger Mick Jagger war auch einer der ersten großen Stars, der sich nach Bekanntwerden von Berrys Tod am Samstag geäußert hat : "Ich möchte mich bei ihm für all die inspirierende Musik bedanken, die er uns gegeben hat. Er hat Licht in unsere Teenager-Jahre gebracht und uns davon träumen lassen, Musiker zu werden. Seine Texte haben andere überstrahlt und ein merkwürdiges Licht auf den amerikanischen Traum geworfen", twitterte Jagger: "Chuck, du warst großartig und deine Musik ist in uns für immer eingraviert."

Unsterblich hat sich Berry mit seiner Musik längst gemacht. Vielleicht wird sein "Johnny B. Goode" noch in zigmillionen Jahren irgendwo zu hören sein. Falls es im All irgendwo Leben gibt, kann man mit ein bisschen Glück auf die "Sounds of Earth"-Sammlung stoßen. Das ist eine goldene Datenscheibe, die seit vier Jahrzehnten an der Raumsonde Voyager durchs Universum schwirrt und die eine halbe Ewigkeit halten soll. Zeugnis der Kultur auf der Erde. Kompositionen von Mozart, Bach und Chuck Berry sind drauf verewigt. Ludwig van Beethoven übrigens auch. Er wird ihm das "Roll over", das Zieh-Leine!, verzeihen. Ganz bestimmt.

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