Clinton schafft die Wende nicht

Hillary Clintons Rechnung, mit Vorwahl-Siegen in Indiana und North Carolina einen Stimmungswechsel zu ihren Gunsten einzuleiten, ist nicht aufgegangen. Barack Obama triumphierte - und Clinton ist in akuten Geldnöten.

Indianapolis. Um 40 Minuten nach Mitternacht gibt es das klarste Indiz dafür, dass Hillary Clintons politisches Überleben zum kaum noch zu bewältigenden Drahtseilakt geworden ist. Die Kampagnen-Manager senden eine nüchterne E-Mail an die Unterstützer, der diesmal jegliche Jubelstimmung fehlt und in der die klare Niederlage in North Carolina ganz verschwiegen wird. Verzweifelte Bitte um mehr Geld

Stattdessen bittet man im Hause Clinton erneut um mehr Geld - ein verzweifelt wirkender Appell, den die frühere First Lady Stunden zuvor schon bei ihrem Auftritt nach dem nur hauchdünnen Sieg im Bundesstaat Indiana mit gerade einmal 22 000 Stimmen Vorsprung auf der Bühne formuliert hatte: "Ich brauche eure Hilfe, um unsere Reise fortsetzen zu können." Gestern wurde bekannt, dass sie im April 6,4 Millionen Dollar leihen musste, um ihre Kampagne weiter finanzieren zu können.Das wie immer bestens inszenierte Senario einer Hillary-Jubelfeier in Indianapolis wirkt realitätsfern. "So war die Stimmung auf der Titanic, als der Eisberg getroffen wurde", lästert einer der Fernsehkommentatoren. Ein Analyst des Senders CNN konstatiert wenig später: "Wir haben den Anfang vom Ende der Ära Clinton gesehen." Und die "Chicago Tribune" kommentiert in ihrer Mittwochausgabe: "Hillary mag neun Leben haben - aber nun ist nicht mehr viel übrig." Denn als die Endergebnisse aus beiden Bundesstaaten vorliegen, ist klar geworden, dass die Senatorin ihr großes Ziel verpasst hat. "Change the game" war die erklärte Absicht - also mit einem Doppelschlag eine grundsätzliche Trendwende zu signalisieren, die vor allem den unentschlossenen Super-Delegierten klar machen sollte: Was am Ende nicht zählt, sind die gewonnenen Delegiertenstimmen, sondern die Fähigkeit, den Republikaner John McCain im Herbst schlagen zu können. Am Wahlabend zeigt Clinton sich noch trotzig und kämpferisch - und gibt bei ihrer Rede auch das Kommando: "Volle Kraft voraus". Doch am Morgen danach werden alle von ihr geplanten Talkshow-Auftritte abgesagt - zumal einer frischen Umfrage zufolge gestern 77 Prozent der US-Bürger sagten: Hillary Clinton kann nicht mehr gewinnen. Rein rechnerisch müsste sie sich mindestens 65 Prozent der noch zu vergebenden Delegierten sichern, um sich eine Nominierungschance zu erhalten. Barack Obama drängte gestern bereits die Super-Delegierten, sich zu erklären - und klar zu machen, wer der Partei-Kandidat sei. Auch er bat noch am Wahlabend um weitere Spenden, doch seine E-Mail strotzte vor Zuversicht: "Wir haben einen klaren Pfad zum Sieg", versicherte er. Denn Obama weiß natürlich: Für seine Gegnerin wird es eine nahezu unlösbare Aufgabe sein, auf dem Parteitag in Denver die Mehrheit der "Super-Delegierten" auf ihre Seite zu ziehen, wenn er am Ende sowohl bei der Zahl der "normalen" Delegierten und auch der abgegebenen Stimmen vorn liegt. Seinen Vorsprung hat Obama durch die Ergebnisse in Indiana und North Carolina jetzt noch ausgebaut. Nun beginnen die US-Medien, die Fehler im Clinton-Lager zu sezieren - und die Analysen fallen durch die Bank unerfreulich aus. Doch Hillary Clinton erreichen diese Worte nicht. Gestern mittag trat sie bereits wieder in West Virginia, wo am 13. Mai gewählt wird, vor die Bürger. Und ihre Manager erklärten erneut: Die von der Parteiführung annullierten Vorwahlergebnisse von Florida und Michigan müssten zählen - neuer Zündstoff für ein Duell, das zur unendlichen Geschichte wird. Meinung Politisch waidwund Sie wollte die Spielregeln ändern und deutlich Boden gutmachen. Doch Hillary Clinton ist mit diesem Anspruch gescheitert. Eine Wähler-Ohrfeige in North Carolina, ein Zittersieg in Indiana. Das reicht nicht für die vollmundig angekündigte Wende im Kampf um die Präsidentschafts-Nominierung. Dass sie, politisch waidwund und finanziell unter Druck, weiter trotzig am nun nur noch durch ein Wunder erreichbaren großen Ziel festhält, zeigt jene Härte und Rücksichtlosigkeit, die sie mittlerweile auch bei den Wählern suspekt machen. Das Rennen ist für Barack Obama so gut wie gelaufen. Die frühere First Lady würde durch einen ehrenvollen Rückzug nicht nur ihrer demokratischen Partei dienen, sondern sich auch noch eine Option offenhalten: 2012 noch einmal - und dann als große Favoritin - anzutreten, sollte Obama im Wahlfinale im November gegen John McCain scheitern. nachrichten.red@volksfreund.de

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