CSU-Chef Seehofer provoziert Freund und Feind

Berlin · Die Opposition im Bundestag protestiert gegen die Forderung von CSU-Chef Horst Seehofer, die Zahl der Zuwanderer zu begrenzen. Seehofer sorgt auch in der Union für Irritationen.

Berlin. "Die Frage ist, ob Horst Seehofer eine Ausweitung der Zuwanderung verhindern oder hinter geltendes Recht zurück will", sagte der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach unserer Zeitung. "Wenn Letzteres der Fall wäre, dann habe ich meine Zweifel, ob das verfassungsrechtlich und völkerrechtlich überhaupt möglich ist." Laut Bosbach "müsste man dann zum Beispiel den Ehegattennachzug oder den Schutz von politisch Verfolgten davon abhängig machen, dass sie nicht aus einem arabischen Land kommen". Er könne sich nicht vorstellen, dass Seehofer dies gemeint habe.

Dem Magazin "Focus" hatte Seehofer gesagt: Die Integrationsfähigkeit von Zuwanderern hänge auch von deren Herkunft ab. "Es ist doch klar, dass sich Zuwanderer aus anderen Kulturkreisen wie aus der Türkei und arabischen Ländern insgesamt schwerer tun. Daraus ziehe ich auf jeden Fall den Schluss, dass wir keine zusätzliche Zuwanderung aus anderen Kulturkreisen brauchen." 2008 verzeichnete Deutschland knapp 400 000 Zuwanderer. Etwa die Hälfte davon kam aus EU-Staaten, der andere Teil aus Drittländern. Nach Angaben von Experten lassen sich die Migranten aus Nicht-EU-Ländern in drei große Gruppen einteilen. Die eine Gruppe umfasst den Familiennachzug, also Ehepartner und Kinder. Die zweite Gruppe sind die politisch Verfolgten. Nach geltendem Recht genießen sie in Deutschland Asyl, unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit. Ein großer Teil davon sind Menschen aus dem Irak, dem Iran, aber auch aus der Türkei. Beide Gruppen machen rund 80 Prozent der Migranten aus Drittstaaten aus. Die dritte und kleinste Gruppe sind Studenten und Arbeitnehmer aus arabischen Ländern. Wer über eine hohe fachliche Qualifikation verfügt, kann in Deutschland eine spezielle Arbeitserlaubnis erhalten, egal ob er aus Asien oder Amerika kommt. Wenn überhaupt, dann ließen sich nur hier Gesetzesverschärfungen verwirklichen, ohne mit der Verfassung zu kollidieren. Wegen des absehbaren Fachkräftemangels wird jedoch eher über eine Lockerung an dieser Stelle nachgedacht.

Die Vorsitzende der grünen Bundestagsfraktion, Renate Künast, nannte Seehofer nach seinem Vorstoß einen "Rechtspopulisten". Derweil höhnte die innenpolitische Fachfrau der Linken, Petra Pau: "Dächte Seehofer konsequent, so müsste er den sofortigen Ausschluss der Türkei aus der Nato fordern."

Nach dem SPD-Rebellen Thilo Sarrazin mit seinen Aussagen über vermeintlich dümmere Muslime und der Gegenwehr von Bundespräsident Christian Wulff ("Der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland") nimmt sich nun Seehofer des Themas Integration an. Nach einer aktuellen Emnid-Umfrage weiß er dabei die Mehrheit der Bevölkerung auf seiner Seite: 69 Prozent der Deutschen lehnen eine EU-Mitgliedschaft der Türkei ab. Und knapp 60 Prozent glauben, dass die meisten hier lebenden Muslime nicht bereits sind, das Grundgesetz zu akzeptieren.

Extra Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan haben sich für eine bessere Integration der in Deutschland lebenden Türken ausgesprochen. Merkel sagte der Türkei zugleich Unterstützung in den festgefahrenen Beitrittsverhandlungen zur Europäischen Union zu. Erdogan sagte, er sei "selbstverständlich" dafür, dass die mehr als zwei Millionen Menschen türkischer Abstammung sich in Deutschland integrieren. Dazu gehöre neben der Beherrschung der türkischen Muttersprache auch ein "sehr gutes Deutsch".

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort