CSU geht auf Distanz zur Schwester

Berlin. Mit fortschreitendem Alter entwickelt sich der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (61) immer mehr zur politischen Sphinx. Geheimnisvoll verschlüsselt sendet er seine Botschaften aus und verwirrt damit Freund und Feind.

Kaum war das Steuerkonzept des CDU-Finanzexperten Friedrich Merz auf dem Markt, mäkelte die CSU in freundlicher Bosheit daran herum. Alsbald folgte die Ankündigung, ein eigenes Modell vorlegen zu wollen. Am Dienstag dann scheute sich Stoiber nicht, die Merz-Leitsätze als "genau das, was das Land braucht", zu adeln. Sie gingen "absolut in die richtige Richtung" - die Stoiber aber nicht mitgehen will. Bereits am Montag hatte der bayerische Finanzminister Karl Faltlhauser Kritik angmeldet und sich als "überzeugter Verfechter" des linear-progressiven Steuertarifs geoutet. Auf deutsch: Bayern zieht eine langsam ansteigende Linie dem Merz˙schen Stufenmodell vor. Auch CSU-Landesgruppenchef Michael Glos ließ am Dienstag in Berlin verlauten, er hege größere Sympathien für die Faltlhauser-Variante, auch wenn das "im Kopf schwieriger auszurechnen" sei. Auf Nachfragen von Journalisten schob Glos weitere Kritikpunkte nach: Auch der von Merz geplante Wegfall der Pendlerpauschale finde nicht die Zustimmung der CSU. Und mit der Abschaffung der Gewerbsteuer könne man sich ebenfalls nicht anfreunden. Dann sagte Glos noch einen ganz bemerkenswerten Satz: "Wenn man Zweidrittel der Bevölkerung vertritt (wie die CSU in Bayern), muss man vorsichtig sein im Umgang mit den so geannnten kleinen Leuten".SPD freut sich über unionsinterne Kritik

Schöner kann ein Verriss kaum klingen. Zumal die Münchner Finanzexperten intern auch monierten, dass Merz "nur Eckpunkte, aber kein durchgerechnetes Modell" vorgelegt habe. Diese Kritik war am Montag - sanft - auch im CDU-Vorstand geäußert worden. Es ist durchaus ein Knackpunkt: Niemand weiß so genau, wer eigentlich Gewinner und Verlierer des Merz-Modells sind. Deshalb kann noch keiner sagen, ob etwa ein Schichtarbeiter, der einen weiten Weg zur Arbeit hat, die niedrigeren Sätze am Ende nicht selbst bezahlen muss. So wird deutlich, dass Merz vor allem Lob geerntet hat für das begrüßenswerte Prinzip, das Steuerrecht radikal zu vereinfachen. Bloß: Dieser Aufgabe wurden auch die Steuerkonzepte von Gunnar Uldall, Hermann Otto Solms und Paul Kirchhof gerecht. Auf jeden Fall waren sich die CSU-Strategen einig, dass bei einem vernünftigen Steuerkonzept "die soziale Balance stimmen muss" (Staatskanzlei-Chef Erwin Huber). Hubers Hinweis im WDR, hinter dieser Ansicht dürfe "niemand einen Streit oder Zwist vermuten", klang allerdings naiv. Tatsächlich weiß man nicht nur in der Union, dass die CSU empfindlich reagiert, wenn die große Schwester die Meinungsführerschaft beansprucht. Stoiber will bei seiner Regierungserklärung im bayerischen Landtag am heutigen Mittwoch jedenfalls seinen Kurs, und damit den Kurs der CSU, abstecken. Es war klar, dass der SPD die unionsinterne Kritik wie ein Geschenk vorkam. Fraktionsvize Joachim Poß machte Minister Faltlhauser denn auch prompt zum Kronzeugen für seine Ansicht, das Merz-Konzept sei unsozial und die Union auch in dieser Frage nicht geschlossen.

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