"Da blickt keiner durch"

Hängen die Missstände bei der Schülerbeförderung mit dem Ausgleichssystem zusammen? Tatsache ist, dass die staatlichen Ausgleichszahlungen die Schüler zu den ergiebigsten Kunden des Öffentlichen-Personen-Nahverkehrs (ÖPNV) machen.

Streitthema Schülertransport. TV-Foto: Archiv/Marita Blahak

Trier. Achselzucken. Abwinken. "Da blickt keiner durch." Das sind Reaktionen von Landtagsabgeordneten gegenüber unserer Zeitung auf die Frage, ob sie das Berechnungsverfahren für Ausgleichsleistungen nach Paragraf 45a des Personenbeförderungsgesetzes (PbefG) erläutern könnten. Dabei klingt es ganz einfach: Unternehmen bieten Fahrkarten für Schüler und Auszubildende verbilligt an, ihnen entstehen Mindereinnahmen, die durch Geld vom Land ausgeglichen werden. Berechnet wurden die Zahlungen bis zum Januar 2007 nach bundesrechtlichen Vorgaben, seitdem können sie durch Landesrecht ersetzt werden. Noch hat sich nichts verändert.Nach TV-Informationen ist das Berechnungsverfahren so verworren, dass nur "Insider" durchblicken. In Sitzungsprotokollen des rheinland-pfälzischen Ausschusses Wirtschaft und Verkehr ist seit Jahren kontinuierlich von "Überkompensationen" die Rede. Das heißt, es wird zuviel gezahlt. Dieses Missverhältnis schließt auch Kai Krischnak, Pressesprecher des Mainzer Verkehrsministeriums, nicht aus. Unserer Zeitung liegen Beispiele vor, die zeigen, wie einige Unternehmen viel Geld verdienen können, indem sie Faktoren wie etwa die "Mittlere Reiseweite" oder "Produktionskosten" künstlich nach oben schrauben. Demnach werden Umwege und längere Linienführungen belohnt. Eine Streckenoptimierung wird durch das Gesetz nicht honoriert. Auch hier räumt Krischnak ein, dass einzelne Fallgestaltungen zu erhöhten Ausgleichsbeträgen führen könnten. Offenbar führt das Ausgleichssystem auch zwangsweise zu einer Konzentration auf den sicheren Kunden Schüler. Die Folge: Dieser Bereich wird offensichtlich aus unternehmerischer Sicht optimiert und das Angebot für Wahlkunden vernachlässigt. Krischnak sieht den Grund, dass sich der ÖPNV auf den Schülerverkehr ausrichtet, vor allem darin, dass im ländlichen Raum der Anteil des Schülerverkehrs am Gesamtfahrgastaufkommen häufig über 90 Prozent liege. "Eine Ausrichtung des ÖPNV an den Interessen dieser Kundengruppe ist daher durchaus sachgerecht", sagt Krischnak. Den Ausgleichs-Leistungen komme bei der Finanzierung des ÖPNV ein erhebliches Gewicht zu. "Ohne diese Leistungen oder bei massiven Kürzungen wären Einschränkungen der Angebote wohl nicht zu vermeiden", sagt der Ministeriumssprecher.Nicht auf alle Fragen gab es eine Antwort

Die Frage, wie kontrolliert werde, ob die Ausgleichszahlungen direkt oder indirekt in den ÖPNV fließen würden, blieb aus Mainz unbeantwortet. Auch müssen die Ausgleichszahlungen nicht an die Subunternehmer - meist kleine Betriebe - weitergegeben werden. "Den Unternehmen kann kein Vorwurf gemacht werden, sie handeln rechtmäßig und aus unternehmerischer Sicht durchaus rational", meint ein Insider. "Zurzeit wird eine landesrechtliche Ausgleichsregelung angestrebt", sagt Krischnak. Und es stünden Rechtsänderungen im Zusammenhang mit der neuen EU-Verordnung an. Danach dürften Ausgleiche für verbilligte Fahrkarten nur noch gewährt werden, wenn sie vorab von der EU-Kommission geprüft worden seien. Auch die "Vermeidung von Überkompensation" werde geprüft.