"Da kann kein Landwirt Reibach machen"

Weil die Getreidepreise steigen, sollen demnächst auch Brot und Brötchen deutlich teurer werden. Diese Ankündigung der deutschen Großbäckereien sorgte unlängst für Schlagzeilen. "Mich macht sie fuchsteufelswild", sagt der Präsident des Bauern- und Winzerverbands Rheinland-Nassau, Leo Blum, im TV-Interview.

 Leo Blum. (Archivfoto)

Leo Blum. (Archivfoto)

Foto: Klaus Kimmling

Morgen beginnt in Koblenz der Bauerntag, und die komplette deutsche Polit-Prominenz gibt sich die Ehre. Da müssen sich die Landwirte und Winzer doch geschmeichelt fühlen, oder …? Blum: Was heißt geschmeichelt fühlen? Die Polit-Prominenz will hören: Was ist bei den Bauern so los? Und natürlich wollen wir den Politikern sagen, wo uns der Schuh drückt. Und - wo drückt die Bauern der Schuh? Blum: Es gibt etliche Punkte, die wir sehr deutlich ansprechen werden, etwa aus dem Bereich Umwelt- und Gesundheitspolitik. Bei einigen Skandalen der jüngeren Vergangenheit war die Landwirtschaft nicht der Verursacher, aber der Leidtragende. Natürlich geht\'s auch um die Agrarpolitik auf EU-Ebene, die für uns sehr wichtig ist. Wir wollen beispielsweise erreichen, dass die Direktzahlungen an die Landwirte auch für die nächsten Jahre gesichert werden. Sie haben den jüngsten Darmkeim- oder Ehec-Skandal eben indirekt angesprochen: Der Absatz der Gemüsebauern ist über Wochen hinweg fast völlig eingebrochen … Blum: … und in diesem Bereich lässt sich ja nichts lagern, das ist das Schlimme. Bei Gemüse und Salat gibt es nur eines - umpflügen. In unserer Region waren zwar nur wenige Betriebe davon betroffen. Aber in anderen Teilen von Rheinland-Pfalz ist etlichen Landwirten ein extremer Schaden entstanden. Wie fanden Sie denn beim Ehec-Skandal das Krisenmanagement der zuständigen Bundes- und Landesbehörden? Blum: Verbesserungswürdig. Unser Eindruck ist: Die Abstimmung der Behörden untereinander lässt sehr zu wünschen übrig. Die betroffenen Bauern sollen jedenfalls rasch und großzügig entschädigt werden. Da müsste Ihr Berufsstand doch eigentlich zufrieden sein … Blum: Nein. Die Summe von 210 Millionen Euro, die die EU zur Verfügung stellen will, klingt zwar gewaltig. Wenn man sich aber die Zahl der europaweit betroffenen Gemüse- und Obstbauern anschaut, ist das verhältnismäßig wenig. Übrigens sollen höchstens 50 Prozent der entstandenen Schäden ersetzt werden. Schon daran erkennt man: Da kann kein Bauer Reibach machen, höchstens seine Verluste reduzieren. Neben Ehec macht die starke Trockenheit vielen Bauern zu schaffen. Welche Landwirte trifft es besonders hart? Blum: Im Grünland- und im Futterbaubereich sowie bei einigen ökologisch wirtschaftenden Betrieben sieht es dramatisch aus. Auch beim frühen Getreide wie etwa der Wintergerste wird es starke Einbußen geben. Stichwort Getreidepreise: Etliche Großbäckereien haben bereits deutliche Preiserhöhungen angekündigt. Ist das für Sie nachvollziehbar? Blum: Nein. Wenn in einem Brötchen für nicht einmal einen Cent Mehl enthalten ist, können höhere Getreidekosten auch nicht als Argument für Preiserhöhungen ins Feld geführt werden. Die gestiegenen Energie- und Lohnkosten fallen da weitaus mehr ins Gewicht. Übrigens lagen die Getreidepreise in den vergangenen beiden Jahren um 50 Prozent unter den jetzigen. Da habe ich keine Bäckerei gehört, die gesagt hätte, wir können die Preise senken, weil Weizen billiger geworden ist. Haben die steigenden Getreidepreise auch damit zu tun, dass immer mehr Felder als Rohstofflieferanten für Biogasanlagen herhalten müssen? Blum: Nein. Wenn in Rheinland-Pfalz etwa wegen der Trockenheit überhaupt kein Getreide geerntet werden könnte, hätte das auf den Weltmarktpreis keine Auswirkungen. Anders sähe es bei einer Missernte in den großen Anbauländern USA oder Südamerika aus. Auch eine stärkere Nachfrage in China oder Indien hätte Auswirkungen auf den Weltmarktpreis. Wie steht es um den Milch- und Fleischmarkt?Blum: Der Auszahlungspreis bei der Milch hat sich verbessert. Aber die Schweinemast und Ferkelproduktion bereiten uns wirklich große Sorgen. Das ist ein Bereich, in dem wir in Rheinland-Pfalz ohnehin nur gut zehn Prozent des Eigenbedarfs produzieren. Das wird weiter zusammenbrechen, weil wir hier ein Preisniveau haben, mit dem die Bauern nicht zurechtkommen. Ein großes Problem für die Bauern - aber die Verbraucher können sich freuen, weil sie billiges Fleisch bekommen … Blum: Es ist doch keinem damit gedient, wenn die Preise einbrechen und viele Landwirte damit ihre Existenz verlieren. Trauen Sie sich schon, einen Ausblick auf Quantität und Qualität des diesjährigen Weins zu? Blum: Die Fröste zu Beginn des Jahres werden sich etwas auf die Erntemenge auswirken. Aber die Vegetation entwickelt sich sehr gut und lässt darauf schließen, dass es einen guten Jahrgang geben wird. Aber entscheidend sind natürlich die letzten Wochen vor der Ernte. Und wie sieht es insgesamt für die regionale Landwirtschaft in diesem Jahr aus? Blum: Zumindest beim Getreide, Rindfleisch und der Milch sieht es ganz gut aus. Seit fünf Wochen hat Rheinland-Pfalz eine grüne Landwirtschaftsministerin. Wie fällt Ihr Zwischenzeugnis für Frau Höfken aus? Blum: Der Ausgang der Landtagswahl war nicht unbedingt das Wahlergebnis, das wir Bauern uns gewünscht haben. Aber wir haben die Wahl der Bürger zu akzeptieren. Und klar ist auch, dass wir der neuen Ministerin eine Chance geben. Sie sind als Bauernpräsident bis 2015 gewählt: Machen Sie die volle Legislaturperiode? Blum: Ich bin bis dahin gewählt. Und wenn nichts dazwischen kommt, mache ich die volle Legislaturperiode.Einen Mitschnitt des Interviews mit Leo Blum hören Sie unter volksfreund.de/extraLandwirtschaftsmeister Leo Blum ist seit elf Jahren Präsident des 19 000 Mitglieder starken Bauern- und Winzerverbands Rheinland-Nassau. Der 1946 geborene Eifeler ist zudem Mitglied im Präsidium des Deutschen Bauernverbandes. sey

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