Damit traumatisierte Fremde zu Mitbürgern werden

Trier · Wie wird aus einem Flüchtling ein Mitbürger? Ohne ehrenamtliches Engagement und humanitäre Hilfe gelingt das nicht. Die Teilnehmer der 2. Flüchtlingskonferenz des Bistums Trier suchen nach Wegen, wie die Hilfe für Asylsuchende verbessert werden kann.

 Trauma Krieg: Der Syrer Imad Al Hussein zeigt am Donnerstag in der Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende in Trier ein Foto seines Hauses, das bei einem Bombenangriff stark beschädigt worden ist. TV-Foto: Frank Göbel

Trauma Krieg: Der Syrer Imad Al Hussein zeigt am Donnerstag in der Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende in Trier ein Foto seines Hauses, das bei einem Bombenangriff stark beschädigt worden ist. TV-Foto: Frank Göbel

Trier. 120 professionelle und ehrenamtliche Aktive aus den Pfarreien und den Caritasverbänden haben am Donnerstag darüber beraten und diskutiert, wie Flüchtlingen geholfen werden kann. Zumindest eine Erkenntnis ließ alle Beteiligten aufatmen: Die Hilfsbereitschaft in den Gemeinden ist groß. Dass diese Grundstimmung angesichts des Stroms der Asylbewerber und der zunehmenden Probleme bei deren Unterbringung und Verteilung auf die Kommunen kippen kann, wurde aber auch deutlich."Die Zeit drängt"


"Es drängt die Zeit, dass Bund, Länder und Kommunen gemeinsam eine strategische Planung angehen, wie sie mit dieser neuen Situation umgehen", sagt Hans-Günther Ullrich, Leiter der Abteilung Ehrenamt, Bildung und Gesellschaft beim Bistum Trier. 500 Plätze als Voraussetzung für die Eröffnung einer Erstaufnahmeeinrichtung seien zum Beispiel nicht mehr zeitgemäß.
Die Kritik an der Trägheit der Politik stand aber nicht im Vordergrund der Konferenz. Zu groß sind die Probleme der Menschen aus Syrien, Eritrea oder anderen Staaten. So groß, dass das Bistum mit einem Flüchtlingsfonds und der Diözesancaritasverband mit dem auf drei Jahre angelegten Fonds für Flüchtlingspaten zusammen 600 000 Euro zur Verfügung stellen, um auch in Bereichen zu helfen, die nicht ursächlich mit caritativer Arbeit zu tun haben.
Stefanie Nickels, Leiterin des Arbeitsbereichs Gesellschaft und Politik bei Bistum Trier, nennt die zentralen Handlungsfelder: "Es geht um Wohnraum und Unterkunft, Spracherwerb und Kommunikation sowie die Inte gration der Menschen in Arbeit und Gesellschaft." Vor allem der möglichst schnelle Erwerb der Sprache sei für eine Integration der Menschen unverzichtbar.
Besonders bei der Unterbringung der Menschen in strukturschwachen Räumen gebe es Probleme. "Ohne ehrenamtliche Unterstützung existieren da enorme Hürden, etwa um zu Sprachkursen zu kommen oder Behördengänge zu erledigen." 100 Willkommenspaten gibt es bereits im Bistum Trier, die zum Beispiel solche Betreuungsaufgaben übernehmen. Damit es noch mehr werden, setzt das Bistum Trier auf ein Willkommensnetz, bei dem die unterschiedlichen Initiativen und Angebote in Rheinland-Pfalz und im Saarland verknüpft werden. Wichtiges Instrument dafür ist eine entsprechend benannte Internetseite, auf der Helfer, aber auch hilfsbereite Menschen alle wichtigen Informationen zum Thema Flüchtlingshilfe erhalten.
Informationen gibt es dort auch zu zehn Vorzeigeprojekten der Caritas, die Nachahmer finden sollen. Projekte wie das Café International in Büchenbeuren im Hunsrück. 60 Menschen aus der Region engagieren sich in dem ökumenischen Treffpunkt, der 150 Flüchtlingen eine Anlaufstelle bietet. "Es ist wichtig, möglichst viele Menschen zu gewinnen, die sich engagieren wollen", sagt Bistumsreferent Hans-Günther Ullrich. Wie wird aus einem Fremden ein Mitbürger? Das sei die zentrale Frage. "Für die Beantwortung ist ein langer Atem notwendig."
willkommensnetz.deExtra

Seelische Belastungen, verursacht durch extreme Kriegserlebnisse, sind ein Problem, mit dem sich Helfer in der Flüchtlingsarbeit zunehmend beschäftigen müssen. Wie Gaby Market, Diplom-Psychologin beim Caritasverband Rhein-Mosel-Ahr, bei der Flüchtlingskonferenz in Trier dargestellt hat, leidet derzeit jeder zweite Flüchtling unter den Erlebnissen von Krieg und Flucht so stark, dass eine medizinische und psychologische Betreuung notwendig ist. Bei jedem Vierten liege eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) vor. Die PTBS tritt in der Regel innerhalb von einem halben Jahr nach einem traumatischen Ereignis auf und geht mit psychischen und psychosomatischen Symptomen einher. Häufig kommt es dabei zu einem Gefühl von Hilflosigkeit sowie zur Erschütterung des Selbst- und Weltverständnisses. r.n.Extra

Die Verteilung der Asylbewerber auf die Kommunen richtet sich nach der Zahl der Einwohner der Landkreise und kreisfreien Städte. Laut Franz-Peter Wagner, Leiter der Aufnahmeeinrichtung in Trier, hat der Landkreis Mayen-Koblenz mit 5,3 Prozent die höchste Zuweisungsquote, die Stadt Zweibrücken mit 0,9 Prozent die geringste im Land. Die Städte Trier und Ingelheim dürfen weniger Asylbewerber aufnehmen, als sie laut Verteilungsschlüssel eigentlich müssten. Grund: Die in den dortigen Aufnahmeeinrichtungen betreuten Flüchtlinge werden den Städten angerechnet. Die Verteilung der Asylbewerber auf die Bundesländer geschieht nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel. Dieser berücksichtigt Wirtschaftskraft und Einwohner. Demnach muss Rheinland-Pfalz 4,8 Prozent der in Deutschland ankommenden Asylbewerber aufnehmen. Die Verteilung geschehe bereits bei der Ankunft in der Aufnahmeeinrichtung, sagt Wagner. Dort werde zunächst geprüft, ob Rheinland-Pfalz aktuell seine Aufnahmekapazität erreicht hat. In dem Fall würden die Flüchtlinge dann per Zug in Aufnahmeeinrichtungen von Bundesländern geschickt, die für den Tag ihre Quote noch nicht erfüllt hätten. Umgekehrt schickten andere Bundesländer - wie etwa Bayern - Asylbewerber nach Rheinland-Pfalz. wie Spiel ohne Grenzen
Dank an fantastische Menschen aus allen Erdteilen: Jazzclub Eurocore spendet Klavier und musikalischen Sprachunterricht für Asylbegehrende

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