Dampflok gegen Bummelzug

BERLIN. Wirtschaftsminister Wolfgang Clement und Finanzminister Hans Eichel streiten heftig um Entlastungen für Betriebe - ein Machtkampf, bei dem der Kassenwart die besseren Karten hat.

Der eine drängelt, der andere bremst: So ist das, wenn sich Dampflok und Bummelzug in die Quere kommen, wenn zwei grundverschiedene Charaktere aufeinander treffen. Zwischen Clement und Eichel (beide SPD) kracht es derzeit gewaltig. Es geht um die Frage, wie schnell eine Unternehmenssteuerreform kommen muss und was sie beinhalten soll. Allerdings nur vordergründig. In Wahrheit, heißt es bei den Genossen, spielt sich zwischen beiden Streithähnen ein heftiger Machtkampf darüber ab, wer in der für den Aufschwung so wichtigen Steuerpolitik künftig das Sagen haben wird. Clement will als Wirtschaftsminister nicht mehr das ausbaden, was ihm seiner Ansicht nach Eichel mit einer restriktiven und buchhalterischen Finanzpolitik einbrockt - schwache Wachstumsraten, null Investitionsspielräume und nörgelnde Unternehmen, um nur einige Punkte zu nennen. Und nicht zu vergessen fünf Millionen Arbeitslose, für die er den Kopf hinhalten muss. Deswegen will der Wirtschaftsminister eine Unternehmensteuerreform noch in diesem Jahr, in der Hoffnung, dass die Betriebe das Geld reinvestieren und so fehlende wirtschaftliche Wachstumsimpulse entstehen. Kontrahent Eichel pocht hingegen auf seine Zuständigkeit und vor allem seinen finanz- und steuerpolitischen Kurs: Aus Angst vor neuen Haushaltslöchern setzt der Hesse auf Gründlichkeit vor Schnelligkeit. Eichel möchte daher mit einem umfassenden Konzept erst in den Bundestagswahlkampf 2006 ziehen. So weit die Gemengelage. Ein Konflikt, den Bundeskanzler Gerhard Schröder nur mit einem Machtwort wird lösen können, glauben Koalitionäre. Doch der Kanzler laviert noch, auch, weil er einen von beiden verprellen muss. Derweil nimmt der Zoff aber an Schärfe zu. Schon seit zwei Wochen liefern sich die beiden Protagonisten öffentlich Scharmützel. Wolfgang Clements erste Rechnung ging dabei auf, denn seine Forderung überlagerte anfänglich die Debatte über die Horrorzahl fünf Millionen Arbeitslose. Mit seiner zweiten Rechnung landete der einstige Superstar im Kabinett jedoch Schiffbruch: Denn der unbeliebte Finanzminister Eichel konnte überraschend mehr Verbündete auf seiner Seite versammeln als Clement geglaubt hatte. Parteichef Franz Müntefering zum Beispiel. Oder die Finanzpolitiker der Bundestagsfraktion. Und auch noch die Riege der einflussreichen SPD-Finanzminister der Länder, die dem Berliner Kassenwart letzte Woche den Rücken stärkten - nicht aus Treue, sondern aus Sorge vor weiteren Einnahmeverlusten. Ohnehin sind die eigenen Reihen ziemlich verärgert über den erneuten Alleingang des streitbaren Wirtschaftsministers. Die Sorge geht bei Rot-Grün um, dass der geplante große Reformwurf, mit dem man im Wahlkampf 2006 punkten wollte, "im Vorfeld wieder zerredet wird dank Clement". Außerdem fragt man sich, wie man der eigenen Klientel erklären soll, dass nicht sie, sondern die Wirtschaft "wieder entlastet wird." Und das ausgerechnet wenige Monate vor der für die SPD so wichtigen Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. Die Front gegen Clement steht also, aber noch tritt er nicht den geordneten Rückzug an. Die Augen richten sich nun auf den Kanzler.

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