"Das Atomzeitalter in Deutschland geht zu Ende" - Interview mit Bundesumweltminister Altmaier

Strompreisbremse, Energiewende und Cattenom: Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) hat sich in Trier am Abend vor dem Treffen mit den Länder-Umweltministern den Fragen unserer Redakteure Bernd Wientjes und Katharina Hammermann gestellt.

 Ökostrom statt Atomstrom: Bundesumweltminister Peter Altmaier drückt bei der Energiewende auf die Tube. Foto: istock

Ökostrom statt Atomstrom: Bundesumweltminister Peter Altmaier drückt bei der Energiewende auf die Tube. Foto: istock

Herr Altmaier, als Saarländer wissen Sie, dass ein Thema den Menschen hier besonders auf den Nägeln brennt: Cattenom. Wie groß sind Ihrer Ansicht nach die Chancen, dass die Anlage abgeschaltet wird?
Altmaier: So wie wir nicht wollen, dass unsere Nachbarn uns daran hindern, die deutschen Kernkraftwerke stillzulegen, können wir andere nicht verpflichten, ihre abzuschalten. Wir haben aber ein gemeinsames Sicherheitsinteresse. Deswegen hat Deutschland ja auch auf den europaweiten Stresstest aller Atomkraftwerke bestanden. Dort wo Sicherheitsmängel vorliegen, müssen diese auch beseitigt werden.

Sie fordern also nicht die Abschaltung von Cattenom?
Altmaier: Ich bin entschlossen, mit meiner französischen Kollegin die Sicherheitsinteressen dieser Region zu vertreten. Aber so, wie es unter Freunden üblich ist. Ich bin davon überzeugt, dass mit dem deutschen Atomausstieg auch international eine Trendwende eingekehrt ist. Immer mehr Länder überlegen, Reaktoren stillzulegen, Pläne für neue Atomkraftwerke werden gestrichen. Wir werden in den nächsten Jahren da noch so manche Überraschung erleben.

Auch in Frankreich?
Altmaier: Ich stelle mit Freude fest, dass dort die Debatte über die Energiewende in Gang kommt. Frankreich will den Anteil der erneuerbaren Energien bis 2020 auf 23 Prozent ausbauen und den der Kernenergie von derzeit 75 Prozent auf 50 Prozent senken.

Sie haben sich mit Wirtschaftsminister Rösler nach wochenlangem Hin und Her auf eine Strompreisbremse geeinigt. Es ist ja doch schon etwas irritierend, wenn aus der Bundesregierung zwei verschiedene Konzepte für ein Thema vorgelegt werden.
Altmaier: Das ist ganz normal, dass ich als federführend zuständiger Minister zunächst einmal Vorschläge auf den Tisch lege. Auf dieser Grundlage habe ich nun mit Philipp Rösler eine Verständigung erreicht. Wir werden das Konzept vor der Bundestagswahl aber nur verabschieden können, wenn es einen parteiübergreifenden Konsens im Bundesrat geben wird.

Die Anzeichen dafür stehen aber nicht gerade gut. SPD und Grüne halten nicht so viel von ihrem Konzept.
Altmaier: Man muss ganz genau hinhören. Zwischen den großspurigen Bekundungen und den konkreten Ankündigungen klaffen bei SPD und Grünen ein tiefer Graben. Außerdem sind sie sich keineswegs einig. Ich fordere von beiden Parteien eine konstruktive Mitarbeit ein.

Und wenn es diese Einigung nicht gibt?
Altmaier: Dann drohen bereits in diesem Jahr weitere Strompreiserhöhungen von bis zu zehn Prozent.

Warum wird nicht einfach die Stromsteuer abgeschafft, das würde den Strom billiger machen?
Altmaier: Wir haben die Stromsteuer seinerzeit eingeführt, um Leistungen der Rentenversicherung zu zahlen und die Lohnnebenkosten zu entlasten. Daher wird man die Steuer nicht abschaffen können.

Konkret: Mit der Strompreisbremse sind die Verbraucher vor weiteren drastischen Preiserhöhungen geschützt?
Altmaier: Sie schützt vor drastischen Preiserhöhungen aufgrund der erneuerbaren Energien. Ich kann nicht entscheiden, wie teuer Importkohle oder -Gas sein werden. Ich habe aber die Möglichkeit, über die Ökostrom-Umlage die Kosten der Energiewende mitzubestimmen.

Heißt das, dass Betreiber von Windrädern oder Biogasanlagen etwa in der Eifel sich Sorgen machen müssen, dass sie weniger Geld für den dort produzierten Strom erhalten werden?
Altmaier: Wir haben die Wahl, die Kosten der Energiewende entweder einseitig den Stromverbrauchern aufzubürden oder die Belastung auf die zu verteilen, die bislang von der Energiewende begünstigt sind. Betreiber von bestehenden Anlagen müssen daher einen symbolischen Beitrag von 1,5 Prozent zahlen. Das machte für jemanden, der 150 Euro Einspeisevergütung pro Monat erhält, gerade mal zwei Euro aus.

Hat die Förderung der erneuerbaren Energien nicht zu einem Wildwuchs an Windrädern geführt? Konkret haben wir etwa hier bei uns nicht zu viele dieser Anlagen?
Altmaier: Nein, zumindest derzeit nicht. Ich habe immer gesagt, der Ausbau der Windkraft muss so betrieben werden, dass er in Übereinstimmung mit der Bevölkerung geschieht. In den vergangenen Jahren ist viel Widerstand gegen den Ausbau weggefallen, die Begeisterung ist größer geworden. Man muss aber nicht alle Windräder innerhalb eines Jahres auf die Felder schleppen. Wir haben zehn, 20 Jahre Zeit mit der Energiewende.

Aber es macht doch schon den Eindruck, dass die Energiepolitik sehr unkoordiniert ist zwischen dem Bund und den Bundesländern.
Altmaier: Wir haben in der Vergangenheit 16 verschiedene Energiewenden gehabt, das hat dazu geführt, dass die Kosten höher geworden sind. Wir brauchen einen nationalen Ausbaukonsens.

Sie bezeichnen die Energiewende als Operation am offenen Herzen. Wie geht es derzeit dem Patienten, wird er überleben?
Altmaier: Dem Patienten geht es gut. Wir werden alles dafür tun, dass er bei guter Gesundheit bleibt und diese Operation überlebt.
Schwarz-Gelb meint es also ernst mit der Energiewende?
Altmaier: Wir stehen zum Atom-ausstieg. Das Atomzeitalter in Deutschland geht definitiv zu Ende.

Sie haben im vergangenen Jahr eine Stromsparoffensive angekündigt. Was ist daraus geworden?
Altmaier: Das Stromsparen ist eine Möglichkeit, dem Strompreis ein Schnippchen zu schlagen. Wir haben im vergangenen Jahr vor-aussichtlich weniger Strom verbraucht als im Jahr zuvor, trotz wachsender Wirtschaft.
Und sie gehen selbstverständlich mit gutem Beispiel voran beim Energiesparen?
Altmaier (lacht): Ich bemühe mich. Weil ich persönlich gut isoliert bin, kann ich die Heizung niedriger stellen. wie/kah

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