Das Ende monatelanger Bemühungen

Washington · Russland und die USA sprechen offiziell nicht mehr über das Thema Syrien. Vieles deutet darauf hin, dass US-Präsident Obama schon viel früher als geschehen den Dialog beenden wollte.

Washington. Falls stimmt, was amerikanische Zeitungen schreiben, dann hat John Kerry in einem verzweifelten Anlauf zu retten versucht, was schon nicht mehr zu retten war. Demnach soll US-Präsident Barack Obama bereits vergangene Woche dazu tendiert haben, die Syriengespräche mit Russland abzubrechen - einen Dialog, in dem er vor dem Hintergrund der Bombenangriffe auf Aleppo nur noch ein Feigenblatt sah.
Sein Außenminister bat um mehr Zeit, bevor er einen letzten Versuch startete. Ein ums andere Mal telefonierte Kerry am Wochenende mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow, um einen neuen Waffenstillstand anzupeilen, eine Feuerpause, die zumindest für ein paar Tage halten sollte. Am Montag warf auch er das Handtuch: So wie das Weiße Haus die Stunde der Ernüchterung ausmalt, soll sowohl ihm als auch Obama der Geduldsfaden gerissen sein.Bitteres Scheitern


Für den Außenminister, einen unermüdlichen Verhandler, ist es eine bittere Niederlage. Denn es war Kerry, der monatelang an einem Kompromiss mit dem Kreml gebastelt hatte, an einem Deal, der die Waffen in Syrien zumindest vorübergehend zum Schweigen bringen sollte. Dafür legte er sich im September sogar in aller Öffentlichkeit mit dem Pentagon an, das angeblich wenig Gefallen fand an dem Plan, die Schläge gegen den IS und Al-Nusra mit den Russen zu koordinieren, überhaupt etwas militärisch abzustimmen mit dem einstigen Kontrahenten des Kalten Krieges.
Vorübergehend schien der Chefdiplomat das Tauziehen mit den Skeptikern in der Ministerriege gewonnen zu haben. Umso bitterer für ihn ist nun das Eingeständnis des Scheiterns. Moskau habe es versäumt, seinen Verpflichtungen nachzukommen, argumentierte John Kirby, der Sprecher des Außenamts. Sowohl Russland als auch das Regime Baschar al-Assads hätten es vorgezogen, den militärischen Pfad zu beschreiten. Was allerdings fehlte in Kirbys Statement, waren Hinweise darauf, was Washington der Strategie Putins und Assads entgegenzusetzen gedenkt. Sanktionen? Konsequenzen? Gegenmaßnahmen? Fehlanzeige! Es zeigt die Ratlosigkeit, die Hilflosigkeit einer Supermacht im Dilemma.
Zu den Konstanten jüngerer amerikanischer Politik zählt, dass Obama sein Land nicht in einen Konflikt hineinschlittern lassen möchte, aus dem er es fünf Jahre herausgehalten hat. Auch in der Endphase seiner Amtszeit wird er keine Bodentruppen nach Syrien entsenden. Ob er sich doch noch für Flugverbotszonen über Teilen des Bürgerkriegslandes erwärmt, wie es seine Parteifreundin Hillary Clinton bereits vor geraumer Zeit vorschlug, bleibt abzuwarten. Es wäre eine Überraschung.
Wie es um die regierungsinterne Kräftebalance bestellt ist, im Konflikt zwischen strikten Gegnern und potenziellen Befürwortern einer Intervention, hat Kerry erst vor zwei Wochen ohne jeden Schnörkel skizziert. Am Rande der Uno-Vollversammlung traf er sich mit syrischen Oppositionellen; das Gespräch sollte vertraulich bleiben, blieb es aber nicht, weil der New York Times eine Tonbandaufzeichnung zugespielt wurde. "Sie haben es mit drei, vier Leuten in der Administration zu tun, die für die Anwendung bewaffneter Gewalt plädierten", sagte Kerry. Er sei einer dieser Leute gewesen, habe den Streit der Argumente jedoch verloren. Im Übrigen fehle Amerika die rechtliche Grundlage, um Assads Regierung anzugreifen, während Russland von Assad eingeladen worden sei. "Das Problem ist, dass sich die Russen nicht für das Völkerrecht interessieren, wir dagegen schon." Ergo, so Kerry, bleibe nur der Versuch der Diplomatie. Er verstehe, dass dies alles frustrierend sei, denn niemand sei frustrierter als er.
Was nun dem vorläufigen Fiasko der Diplomatie folgen soll, lässt sich nicht einmal in groben Konturen erkennen. Nach Obamas Rhetorik muss Assad abtreten - so weit die Theorie. Welche Taten den Wunsch Wirklichkeit werden lassen sollen, bleibt indes im Nebel. Nach Berichten des Wall Street Journal hat im Kabinett Obamas eine Diskussion darüber begonnen, ob man syrische Rebellen mit besseren Waffen ausrüsten soll. Nach einem Plan B könnte das Oval Office Ländern wie Saudi-Arabien oder der Türkei grünes Licht geben, damit diese Assads Gegner mit modernerem Kriegsgerät aus amerikanischer Produktion versorgen.
Falls es solche Blaupausen tatsächlich gibt, sind Zweifel angebracht: Bisher war es der US-Präsident, der Waffenlieferungen an die Rebellen am skeptischsten sah.

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