Das Feld muss sich noch lichten

Berlin · So unübersichtlich wie zurzeit war die Lage bei den Liberalen selten. Eine Entscheidung, wer in der neuen Führungsriege vertreten ist, wird wohl erst kurz vor oder beim Bundesparteitag Mitte Mai in Rostock fallen.

Berlin. Es ist eine Art politisches Mikado: Wer sich zuerst bewegt, hat verloren. Im Postengerangel, das in der FDP-Führung seit der Rückzugserklärung von Guido Westerwelle eingesetzt hat, wagt selbst der designierte neue Vorsitzende, Gesundheitsminister Philipp Rösler, derzeit noch keine Festlegung. Entscheidungen fallen wohl erst kurz vor dem Bundesparteitag Mitte Mai in Rostock oder sogar direkt dort per Kampfabstimmung.
Die bisherigen stellvertretenden Parteivorsitzenden Andreas Pinkwart, Nordrhein-Westfalen, und Cornelia Pieper, Sachsen-Anhalt, treten nicht wieder an. Für sie kandidieren der neue nordrhein-westfälische Landeschef Daniel Bahr, ein Rösler-Intimus, und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger aus Bayern. Beide Bewerbungen gelten als gesetzt und sicher.
Offen ist Stellvertreter Nummer drei, ein Posten, den derzeit noch Wirtschaftsminister Rainer Brüderle bekleidet. Er sagte gestern bei den Beratungen der FDP-Spitzengremien in Berlin nicht klar, ob er wieder antritt. Sein Landesverband Rheinland-Pfalz habe ihn vorgeschlagen, teilte der 65-Jährige lediglich mit. Nun müsse er "Gespräche führen".
Westerwelle aus dem Rennen


Ganz ähnlich wie Brüderle äußerte sich auch Sachsens Landeschef Holger Zastrow, der den versammelten liberalen Führungskräften mitteilte, die fünf Ost-Verbände wollten, dass wieder einer der Parteivizes aus den neuen Ländern komme und überlegten, ihn dafür vorzuschlagen. Zwischen Brüderle und Zastrow könnte es in Rostock eine Kampfabstimmung geben, Südschiene gegen Ostschiene.
Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel bekundete ebenfalls sein Interesse, ließ aber offen, für welchen Posten genau. Hessens FDP-Chef Jörg-Uwe Hahn, der zu Zeiten Westerwelles noch mächtig nach oben gedrängt hatte, sagte, er sei ein Teamspieler und spiele dort, wo Rösler ihn hinstelle. Beide zielen möglicherweise auf eine der drei ebenfalls frei werdenden Beisitzer-Positionen im Präsidium, für die Schleswig-Holstein wiederum seinen Parteirebellen Wolfgang Kubicki ins Rennen schickte.
So unübersichtlich war die Lage bei den Liberalen selten. "Das Feld wird sich bis zum Parteitag noch lichten", hofft nun Generalsekretär Christian Lindner. Aber auch eine Kampfabstimmung wäre seiner Meinung nach kein Beinbruch. "Wir sind eine Partei des Wettbewerbs."
Für Lindner, der als Generalsekretär vom neuen Parteichef Rösler erneut vorgeschlagen werden wird und keine Konkurrenz hat, ist das leicht gesagt. Für Brüderle wäre eine Kampfabstimmung hingegen höchst gefährlich. Denn im Fall einer Niederlage auf dem Bundesparteitag wäre er auch als Minister kaum noch zu halten. In der Partei machen viele ihn persönlich für einen Teil der Verluste bei den Landtagswahlen im März verantwortlich, weil er den Atomausstieg indirekt als Wahlkampfmanöver bezeichnet hatte.
Es ist gut denkbar, dass Brüderle verzichtet, wenn ihm eine Kandidatur nach den Gesprächen, die er nun führen will, zu riskant erscheint. Fraglich ist, ob Rösler in die Auseinandersetzung eingreift. Zwar bescheinigten ihm die Führungsgremien gestern ausdrücklich das Recht, sich ein Team zusammenzustellen, andererseits sollen dem Parteitag nicht zu viele Vorgaben gemacht werden. Denn die Unruhe in der FDP ist ohnehin schon groß, die Stimmung schwer kalkulierbar. Rösler liefe Gefahr, mit einer Niederlage zu starten.
Wohl aus diesem Grund beschränkte der designierte Chef sich gestern auf die Aussage, dass die Landesverbände für die Parteispitze noch viel zu wenig Frauen vorgeschlagen hätten. Einer ist ganz raus aus allen Rennen und Betrachtungen: Ex-Parteichef Guido Westerwelle. "Ich bin in der fröhlichen Situation, den Prozess hier moderieren zu können", sagte er gut gelaunt und fragte die Landesverbände reihum nach ihren Vorschlägen.

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