Das große Rätselraten über die rot-grünen Pläne

Der Streit um den Hochmoselübergang im Kreis Bernkastel-Wittlich steht beispielhaft für die großen Probleme, die sich trotz vieler Gemeinsamkeiten einer rot-grünen Koalition in Mainz stellen. Die beiden potenziellen Partner müssen klären, wie weit sie sich jeweils verbiegen können.

 Gegner des Hochmoselübergangs bei Zeltingen-Rachtig wittern nach dem Baustopp die Chance, das Großprojekt nun doch noch kippen zu können. In der Vergangenheit hatte es immer wieder Demonstrationen gegen das Bauvorhaben gegeben wie hier im Wald von Zeltingen. TV-Foto: Archiv/Klaus Kimmling

Gegner des Hochmoselübergangs bei Zeltingen-Rachtig wittern nach dem Baustopp die Chance, das Großprojekt nun doch noch kippen zu können. In der Vergangenheit hatte es immer wieder Demonstrationen gegen das Bauvorhaben gegeben wie hier im Wald von Zeltingen. TV-Foto: Archiv/Klaus Kimmling

Mainz/Trier. Eine Frage an Bettina Brück, SPD-Landtagsabgeordnete aus Thalfang: Was bedeutet für sie als langjährige Befürworterin des Projekts der vorläufige Baustopp beim Hochmoselübergang, den ihre Parteispitze in Mainz mit den Grünen beschlossen hat? "Baustopp? Wieso Baustopp? So sehe ich das nicht. Es ist ein ganz normaler Vorgang, während der Verhandlungen keine neuen Fakten zu schaffen."

Beschwichtigungen wie diese hört man derzeit von vielen Sozialdemokraten. "Es ist noch nichts beschlossen", "mal abwarten", "die verhandeln noch", heißt es. Hinter vorgehaltener Hand wird geflüstert, es handele sich nur um einen symbolischen Akt, um die Grünen vor den Koalitionsgesprächen nicht zu vergrätzen.

Eine Frage des politischen Stils



Die Ökopartei freut sich über das Entgegenkommen. Der Landesvorstand soll seine Empfehlung an den Parteirat, mit der SPD zu verhandeln, von einem Baustopp abhängig gemacht haben. Landesvorstandssprecherin Eveline Lemke und die Abgeordnete Jutta Blatzheim-Roegler aus Bernkastel-Kues betonen diesen Baustopp, der ihren Wünschen entspricht. Verkehrsminister Hendrik Hering habe Unterlagen zugesagt, um alles zu prüfen.

Solche unterschiedlichen Interpretationen sorgen bei Beobachtern für Rätselraten. "Wir wissen nicht, was da los ist, obwohl wir heute in Mainz nachgefragt haben", erzählt Arne Rössel, Hauptgeschäftsführer der IHK Trier. Vorsichtig zurückhaltend äußert sich Matthias Schwalbach von der HWK Trier. "Wir haben Verständnis dafür, dass man Arbeiten aussetzt. Das ist eine Frage des politischen Stils." Einig sind sich die Kammervertreter in der Bewertung des Projekts: Beide plädieren uneingeschränkt für dessen Vollendung.

Ratlosigkeit herrscht offenbar auch im Verkehrsministerium. Welche Auswirkungen der vorläufige Baustopp hat, ob es Verzögerungen im Zeitplan gibt oder betroffene Firmen Schadenersatz reklamieren - bei solchen Fragen "ist es zum derzeitigen Zeitpunkt noch zu früh, ins Detail zu gehen", sagt eine Sprecherin.

Sorge um Schadenersatz



Wütende Proteste hagelt es von der regionalen CDU. "Das ist ein Unding!", wettert der Rioler Abgeordnete Arnold Schmitt. Seit den 90er Jahren habe sich in der Verkehrsinfrastruktur des Landes fast nichts mehr getan. Der Arzfelder Bundestagsabgeordnete Patrick Schnieder weist darauf hin, der Bund werde vom Land Schadenersatz verlangen. Das habe ihm Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer versichert. Der Eifeler Michael Billen redet Klartext: "Dieses Vorgehen von Rot-Grün ist eine Farce und der Versuch der Verdummung der Menschen." Billens Schlussfolgerung: "Das kommt davon, wenn der Ministerpräsident mit der Dagegen-Partei koalieren will."

Der Hochmoselübergang dürfte der Lackmustest dafür sein, ob in den Koalitionsverhandlungen die Weichen so gestellt werden können, dass Unfälle beim Regieren vermieden werden. SPD oder Grüne, einer von beiden wird nachgeben müssen. Wird die Brücke gebaut, haben sich die Sozialdemokraten durchgesetzt und ihre anerkannt wirtschaftsfreundliche Politik der vergangenen Jahre bestätigt. Wird das Projekt begraben, deutet das auf eine Politikwende hin, die ökologischen Gesichtspunkten auch in der Ökonomie Vorrang gibt.

So oder so wird es wohl Proteststürme geben. Entweder von den Kammern und der Wirtschaft als Befürworter von Investitionen in die Infrastruktur oder von den Umweltschützern als Gegnern.

Eine SPD-Politikerin betrachtet die Sache gelassen. "Ich bin für die notwendige Straßenverbindung", sagt Ingeborg Sahler-Fesel aus Schweich. "Aber ich springe nicht in die Mosel, wenn die Brücke nicht gebaut wird."

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