"Das ist absolut keine seriöse Diskussion"

Seit Jahren warnt die Gewerkschaft der Polizei (GdP) vor dem Anstieg der Jugendgewalt. Die jetzt von der CDU forcierte Diskussion hält Gewerkschaftschef Konrad Freiberg jedoch für oberflächlich.

Berlin. (wk) Notwendig sei nicht, neue Gesetze zu verabschieden, sondern eine bessere Praxis gegen Intensivtäter, sagte Freiberg unserer Zeitung. Mit dem Gewerkschaftschef sprach unser Korrespondent Werner Kolhoff. Freut es Sie, dass jetzt so intensiv über die Jugendgewalt diskutiert wird?Freiberg: Leider ist das, was derzeit läuft, absolut keine seriöse Diskussion, in der es um wirkliche Lösungen geht. Hier geht es nur um Wahlkampf. Das ist wie eine Silvester-Rakete, die schnell verglüht. Aber der Anlass war ein konkreter Vorgang, nämlich der brutale Überfall auf einen Rentner in München.Freiberg: Solche schlimmen Vorgänge gab es schon immer. Wir weisen seit Jahren auf die Zunahme von Gewalt als das größte Problem in der Kriminalitätsentwicklung hin, ohne dass viel passiert ist. Roland Koch zum Beispiel, der diese Debatte jetzt begonnen hat, hat in Hessen die Bedingungen für die Bekämpfung der Jugendgewalt verschlechtert, er hat Stellen bei der Polizei und in der Justiz abgebaut. Das macht ihn unglaubwürdig. Die CDU hat in Wiesbaden immerhin konkrete Vorschläge verabschiedet.Freiberg: Die Union beschäftigt sich fast nur mit Fragen der Abschreckung, mit Gesetzesverschärfungen, nicht mit den Ursachen, etwa der Integration ausländischer Jugendlicher oder der Ausbildung. Und mindestens ebenso wichtig ist die Praxis der Strafverfolgung. Das Entdeckungsrisiko muss erheblich erhöht werden. Wenn Intensivtäter entdeckt wurden, aber am nächsten Tag wieder frei herumlaufen, nützt das wenig.Freiberg: Die Justiz muss in die Lage versetzt werden, unmittelbar zu handeln und schnelle Urteile zu fällen. Das lassen die bestehenden Gesetze aber heute schon zu. Die Union hat ergänzend einen Warnschuss-Arrest vorgeschlagen.Freiberg: Schnelle Urteile hätten den gleichen Effekt wie ein solcher Warnschuss-Arrest. Aber ich sperre mich nicht dagegen. Das sollte man genau prüfen. Berlins Justizsenator Erhart Körting hat die Richter seiner Stadt beschuldigt, zu lasch zu handeln. Er nannte sie Allesversteher. Teilen Sie diesen Eindruck?Freiberg: Wenn ich den Umgang mit Intensivtätern in vielen Großstädten anschaue: Ja. Es gibt Fehlverhalten von Richtern. Man darf nicht nur an den Täter denken, muss auch daran denken, welche Wirkung ein Urteil zum Beispiel auf das Umfeld eines Täters und für die Abschreckung hat. Auch in München wurden die bestehenden Gesetze gegenüber den beiden Tätern nicht konsequent genug angewendet. Ich hoffe, dass die Debatte da bei den Richtern ein Umdenken bewirkt. Wie sollte man jetzt weiter vorgehen?Freiberg: Wir sollten nach den Landtagswahlen seriöser über das ganze Thema und seine Bedingungen diskutieren. Es wäre sinnvoll, dann einen Runden Tisch mit allen Beteiligten einzuberufen, mit Justiz, Polizei, den Innen- und Jugendbehörden, dem Strafvollzug, um darüber in aller Ernsthaftigkeit und Vielschichtigkeit zu reden. Wichtiger als das Erlassen neuer Gesetze ist, dass sich die Praxis verändert.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort