"Das ist der Preis für die Freiheit"

TRIER. Darf ein Polizist einem Kriminellen mit Gewalt drohen, um ein Menschenleben zu retten? Seit die Verhör-Methoden des Frankfurter Polizei-Vizes Daschner bekannt wurden, diskutiert ganz Deutschland über diese Frage. Für den Trierer Strafrechtsprofessor Dr. Hans-Heiner Kühne steht die Antwort fest: "Nein!"

 Eine Folterszene aus dem 17. Jahrhundert: "Erfahrungen haben dazu geführt, selbst Ansätze solcher Methoden zu ächten", sagt der Trierer Professor Kühne. Er lehnt Gewaltandrohung bei Verhören kategorisch ab.Foto: Klaus Kimmling

Eine Folterszene aus dem 17. Jahrhundert: "Erfahrungen haben dazu geführt, selbst Ansätze solcher Methoden zu ächten", sagt der Trierer Professor Kühne. Er lehnt Gewaltandrohung bei Verhören kategorisch ab.Foto: Klaus Kimmling

DasLeben eines Kindes ist bedroht, die Zeit läuft davon. Warum istes deutschen Polizisten nicht gestattet, bei der Befragung desmutmaßlichen Täters Druck auszuüben? Kühne: Das ist durch internationale Konventionen und durch geltendes Bundesrecht kategorisch verboten.

Ist es nicht ein Unterschied, ob die schmerzhafte Befragung nur angedroht wird oder Polizisten tatsächlich handgreiflich werden?

Kühne: Im konkreten Fall macht das natürlich einen riesengroßen Unterschied. Dennoch: Das Gesetz schließt beides aus.

Warum ist der so genannte finale Rettungsschuss (beispielsweise in Bayern) erlaubt, ein Klaps auf die Ohren aber verboten?

Kühne: Eine sehr schwierige Frage. Beim finalen Rettungsschuss geht es tatsächlich um Leben gegen Leben, das heißt: Die Bedrohung wie die Rettung eines Menschenlebens ist sehr konkret. Geht alles gut, ist der Täter, der das unschuldige Opfer bedroht, tot, und das Opfer lebt. Die Ausgangslage bei der Metzler-Entführung war schon allein deshalb eine andere, weil man nicht einmal wusste, ob das Opfer noch lebt. Dazu kommt: Die Erfahrungen, die wir mit "Verhören dritten Grades" vor allem in der Nazi-Zeit gemacht haben, haben dazu geführt, selbst Ansätze solcher Verhör-Methoden zu ächten und zu verbieten. Ein freiheitlich-demokratischer Rechtsstaat darf sich Tätern gegenüber, die ja bis zu einer Verurteilung als unschuldig gelten, derartige Dinge nicht rausnehmen. Das ist zwar im Einzelfall schmerzlich, aber letztlich auch ein Preis für die Freiheit, den wir zahlen müssen.

Frankfurts Polizei-Vize Daschner hat von einem übergesetzlichen Notstand gesprochen. Zu recht?

Kühne: Nein. Diese Frage wurde übrigens schon in den 70er Jahren im Zusammenhang mit dem illegalen Lauschangriff auf die Wohnung des Atommanagers Klaus Traube heftig diskutiert. Ergebnis: kein übergesetzlicher Notstand.

Verschiedene Politiker haben davon gesprochen, die Gewaltandrohung sei menschlich verständlich gewesen. Wie bewerten Sie derartige Äußerungen?

Kühne: Sie haben letztlich recht. Auch ich als Jurist sage: Menschlich verständlich ist das allemal, weil durch diese böse Handlung das Gute gefördert werden sollte. Andererseits ist dieses Verhalten aber gesetzlich verboten.

Abschließende Frage: Ist ein Polizist wie Polizei-Vize Daschner noch tragbar?

Kühne: Wenn er die von ihm bekannten Äußerungen tatsächlich so gemacht hat, hat er in seiner Polizeiausbildung wesentliche Teile verpasst. Die müsste Daschner entweder nachholen, oder er sollte sich einen neuen Job suchen.

Mit Hans-Heiner Kühne sprach TV-Redakteur Rolf Seydewitz.

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