"Das ist kaum mehr erträglich"

Trier · Wohnraum dringend gesucht. 1513 Plätze stehen offiziell an den drei Standorten der Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende (AfA) in Trier und Ingelheim zur Verfügung. Die Landesregierung steht angesichts steigender Flüchtlingszahlen unter Druck. Ein Hotel und eine ehemalige Kaserne sollen Entlastung bringen.

Trier. Knapp 10 000 Flüchtlinge sind in diesem Jahr in Rheinland-Pfalz angekommen. Im kommenden Jahr werden es bis zu 15 000 sein, sagt Karin Weiss, Abteilungsleiterin im Mainzer Inte-grationsministerium. Sie alle werden zunächst in einem der AfA-Standorte in Trier und Ingelheim untergebracht, bevor sie auf die Kommunen und Städte im Land verteilt werden. Flüchtlinge: "Der Ansturm ist in den Wintermonaten besonders groß", sagt der derzeitige Leiter der rheinland-pfälzischen Erstaufnahmeeinrichtung, Frank-Peter Wagner. Jeder Mensch, der ankomme, habe Schlimmes hinter sich. "Da ist unheimlich viel Schmerz dabei", sagt Wagner. Da sei ein Fünfjähriger aus Syrien, der so schwer traumatisiert sei, dass ihm die Haare ausfielen: "Er hat gesehen, wie sein Vater geköpft wurde." Da sei ein junger Arzt aus Syrien, der in Deutschland arbeiten wolle. "Sein Krankenhaus ist zerstört worden." Oder eine Mutter, die von Schleppern im Lastwagen nach Deutschland gebracht wurde - ihr Kind aber verloren habe, weil es in einem anderen Laster saß.Raumnot: Die Zunahme der Flüchtlingszahlen nach dem Herbst ist in diesem Jahr ein richtiges Problem: Das Haupthaus in Trier ist mit rund 900 Flüchtlingen bereits überbelegt. Auch in den Außenstellen in Ingelheim und Trier-Euren (400) sind so gut wie keine Plätze mehr frei. In dem Trierer Stadtteil, wo ursprünglich lediglich 150 Flüchtlinge untergebracht werden sollten, sorgt das zunehmend für Spannungen. Aber auch im Haupthaus ist die räumliche Enge für Mitarbeiter und Asylbewerber laut Wagner "kaum mehr erträglich". In Wohncontainern seien oft statt vier nun sechs Menschen untergebracht: "Da steigt das Aggressionspotenzial." Das bedeutet auch eine enorme Belastung für die Sozialarbeiter, die Konflikte schlichten müssten. "Von einer sozialverträglichen Belegung sind wir im Moment ziemlich weit weg." Die Zeit drängt, das wissen auch die Verantwortlichen beim Land, allen voran die neue Ministerin für Integration, Irene Alt. "Es ist mir ein großes Anliegen, dass wir Flüchtlingen eine angemessene Unterkunft bieten, wo sie nach ihrer zum Teil traumatischen Flucht wieder zur Kräften kommen."Ausbau: Die bisherige Afa-Außenstelle Ingelheim wird deshalb auf 500 Plätze vergrößert und damit zu einer eigenständigen Aufnahmestelle. In der ehemaligen Hochwald-Kaserne in Hermeskeil (Kreis Trier-Saarburg) soll so schnell wie möglich eine weitere Einrichtung mit mindestens 500 Plätzen entstehen. Abteilungsleiterin Karin Weiss ist sich allerdings sicher, dass eine Kapazität für 750 Menschen realistisch ist. Das hat sie am Dienstag vor dem Hermeskeiler Stadtrat betont, dessen Zustimmung für die neue Nutzung der Kasernengebäude benötigt wird. Die Entscheidung darüber soll im Februar fallen, nach einer Bürgerversammlung mit Integrationsministerin Irene Alt in der Hochwaldstadt. Bis die neue Aufnahmeeinrichtung in Betrieb genommen werden kann, werden dann aber noch einmal einige Monate mit vielen Umbaumaßnahmen vergehen.Zwischenlösung: So lange kann das Land aber nicht warten. Deshalb soll übergangsweise zusätzlich ein Hotel im Raum Bitburg angemietet werden. Dort könnten bis zu 460 Menschen untergebracht werden. Willi Burelbach, Betreiber des Hotel-Komplexes Eifelstern auf dem ehemaligen Kasernengelände der Airbase Bitburg, bestätigt Verhandlungen mit dem Land über ein Nebengebäude. "Das Team unseres Hotels hat ein Konzept entwickelt, um Asylbewerbern eine angemessene Unterkunft getrennt vom laufenden Hotelbetrieb bereitzustellen. Uns ist daran gelegen, dass die Flüchtlinge möglichst schon zu Weihnachten eine geeignete Unterkunft haben." Für AfA-Leiter Frank-Peter Wagner wäre die Anmietung des Hotels "ein großer Wurf". Denn in der Weihnachtszeit seien weitere Engpässe bei der Unterbringung von Flüchtlingen zu erwarten gewesen. Die Kommunen im Land machten da dicht, Flüchtlinge könnten nicht verteilt werden. "Wir müssen 14 Tage überbrücken", sagt Wagner. Nach einer Verteilung am 21. Dezember gebe es erst wieder eine am 6. Januar. Die Asylbewerber kämen aber trotzdem. Derzeit sind es täglich rund 150 Menschen. Schleuser: Nicht wenige von ihnen kommen mit Schleusern - und werden zuvor von der Bundespolizei aufgegriffen. Von Januar bis Ende Oktober hat die Trierer Bundespolizei 1181 unerlaubt Einreisende registriert - das seien knapp 56 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum, sagt Sprecher Rudolf Höser. Das eigentliche Ziel der Beamten seien aber nicht die geschleusten Menschen, sondern die Schleuser.Extra

8057 Asylanträge sind in diesem Jahr bis zum 31. Oktober in Rheinland-Pfalz gestellt worden. Die Flüchtlinge bleiben rund sechs Wochen lang in der Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende, bevor sie auf die Kommunen verteilt werden. Die wichtigsten Herkunftsländer: Syrien (1800), Serbien (1188), Eritrea (682), Mazedonien (876), Bosnien-Herzegowina (460), Somalia (455), Afghanistan (393). Die Anerkennungsquote lag nach Angaben des Bundes im September bei 29,5 Prozent, wobei die Schutzquote für Syrien (89 Prozent), Irak (63,8 Prozent) und Eritrea (51,9 Prozent) höher ist. r.n.

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