"Das ist mehr als nur Symbolik"

Berlin · Deutschland galt bislang als EU-Staat mit dem noch vergleichsweise größten Einfluss auf die russische Außenpolitik. Ist es nach dem von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) verhängten Rüstungsexportstopp damit nun vorbei?

Berlin. Harte Linie gegenüber Moskau: Über mögliche Konsequenzen deutscher Sanktionen gegenüber Moskau sprach unser Berliner Korrespondent Stefan Vetter mit dem Russland-Beauftragten der Bundesregierung, Gernot Erler (SPD). Sind die deutsch-russischen Beziehungen an einem neuen Tiefpunkt angelangt?Erler: Nein. Denn die besonderen Beziehungen zwischen Berlin und Moskau speisen sich nicht nur aus wirtschaftlichen Kontakten, sondern aus intensiven politischen und gesellschaftlichen Beziehungen, die in dieser Form kein anderes EU-Land hat. Allerdings weiß Russland auch genau, dass bei einer Änderung seiner Politik gegenüber der Ukraine der Weg für eine Fortsetzung der sehr intensiven wirtschaftlichen Beziehungen wieder frei werden würde. Das heißt, der verfügte Ausfuhrstopp für das Gefechtsübungszentrum könnte bei einem entsprechenden Wohlverhalten Moskaus auch noch rückgängig gemacht werden?Erler: Das ist nicht auszuschließen, zumal alle von der EU verhängten Sanktionen gegen Moskau einschließlich des Stopps von Rüstungslieferungen einer vereinbarten Befristung mit einer Überprüfung nach drei Monaten unterliegen. Die EU hat diese Regelung bewusst getroffen, um Russland zu zeigen, dass es jederzeit aus der Sanktionsspirale herauskommen und wieder zu einer Normalisierung der Beziehungen zum Westen gelangen kann. Welchen Sinn macht der Entschluss Gabriels, wenn zum Beispiel Frankreich seine eingegangenen militärischen Lieferverpflichtungen an Russland weiter erfüllt?Erler: Es ist ein klares Signal, dass sich Deutschland nicht mit dieser europäischen Kompromisslösung, die vor allem im Interesse Frankreichs war, begnügt. Die Botschaft lautet, so lange Russland die russischen Separatisten in der Ukraine militärisch und logistisch unterstützt, passt die deutsche Lieferung eines Gefechtsübungszentrums nicht in die politische Landschaft - auch wenn dieses Geschäft nach dem Sanktionsmechanismus möglich wäre. Angeblich ist die Anlage aber bereits so gut wie fertig. Da wirkt der Exportstopp sehr wohlfeil.Erler: Moskau behauptet das, um die Bedeutung herunterzuspielen. Von der Firma Rheinmetall wissen wir, dass die Anlage ohne ihre Schlusslieferungen der spezifischen Lasertechnik nicht nutzbar ist. Es geht also nicht nur um Symbolik.Russland hat seine Militärpräsenz an der Grenze zur Ukraine stark ausgebaut. Fürchten Sie eine weitere Eskalation der Lage?Erler: Von dem Konflikt in der Ost-Ukraine gehen keinerlei direkte Gefahren für Russland aus. Deshalb ist ein solches massives Militäraufgebot völlig ungerechtfertigt. Russland braucht sich nicht zu beklagen, wenn nun Spekulationen über ein offenes militärisches Eingreifen laut werden. Trauen Sie Präsident Putin das zu?Erler: Nach dem Abschuss des malaysischen Passagierflugzeuges über der Ukraine kann man nichts mehr ausschließen. Man kann nur an Russland appellieren, die Lage zu entschärfen und selber alle diplomatischen Kanäle dafür offen zuhalten.

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