"Das kleinere Übel"

BERLIN. (Ve) Die Hiobsbotschaften bei den Altersbezügen reißen nicht ab. Gestern schlug der Verband der Rentenversicherungsträger (VDR) Alarm.

Wegen der flauen Konjunktur werde das Finanzpolster der Rentenkasse Ende Oktober nur noch 3,4 Milliarden Euro betragen, prognostizierte VDR-Präsident Franz Ruland. Das entspricht einer viertel Monatsausgabe der gesetzlichen Rentenversicherung. Und es könnte noch enger werden, falls die wirtschaftliche Entwicklung schlechter verlaufe als angenommen. Dabei ist für die so genannte Schwankungsreserve ein Mindestbestand von einer halben Monatsausgabe (rund 7,7 Milliarden Euro) vorgeschrieben. Müssen die Rentner nun um ihre Einkommen fürchten? Der Chef der von der Regierung eingesetzten Kommission zur Zukunft unserer Sozialsysteme, Bert Rürup, weist das zurück: "Der Rentenkasse kann keine Zahlungsunfähigkeit drohen, denn es gibt eine Bundesgarantie für die Finanzierung der laufenden Altersbezüge", sagte Rürup. Auch die Bundesregierung stellte klar: "Die Auszahlung der Renten ist gewährleistet." Notfalls müsste Finanzminister Hans Eichel (SPD) einen Vorschuss auf den Bundeszuschuss leisten, der in diesem Jahr immerhin 73 Milliarden Euro und damit knapp ein Drittel des Bundesetats ausmacht. Nimmt man noch die Aufwendungen für die Beamten-Pensionen hinzu, belaufen sich die Kosten der öffentlichen Hand für die Altersversorgung sogar auf mehr als 91 Milliarden Euro. Angesichts dieser gewaltigen Summe und der begrenzten Mittel des Kassenwarts schießen die Spar-Ideen ins Kraut. Nach Ansicht des Thüringer Bundestagsabgeordneten Carsten Schneider (SPD) sollen die Rentner ihre Krankenkassenbeiträge künftig allein tragen. Bislang übernimmt die Rentenkasse 50 Prozent. Allein damit würde die Rentenversicherung um 13,5 Milliarden Euro im Jahr entlastet. Eine solche Radikal-Operation gilt jedoch als politisch nicht durchsetzbar. Im Bundessozialministerium wird deshalb über eine sanfte Verschiebung des Finanzierungsverhältnisses nachgedacht. So könnten die Rentner etwa 60 Prozent ihrer Krankenbeiträge übernehmen. Weitergehende Maßnahmen hatte die Rürup-Kommission schon im April angeregt. So könnte die Kasse durch eine Verschiebung der Rentenerhöhung im nächsten Jahr geschont werden. "Jeder Beitragssatzanstieg ist Gift für die Konjunktur", argumentiert Bert Rürup. "Und wenn damit eine Erhöhung des Beitrages verhindert oder auch nur verringert werden kann, dann ist die Verschiebung der Rentenanpassung um ein halbes Jahr das kleinere Übel."

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