Das Land verschärft die Terrorabwehr

Versuchtes Kofferbomben-Attentat in Koblenz, ausgehobene Al-Kaida-Zelle in Mainz: Die rheinland-pfälzischen Ermittler befassen sich schon seit Jahren intensiv mit dem islamistischen Extremismus. Die jüngsten Terrorwarnungen auf Bundes- und Landesebene verschärfen diese Bemühungen noch einmal.

Mainz. "Die rheinland-pfälzische Polizei zeigt mehr Präsenz, schützt sensible Objekte noch gründlicher und verstärkt die Aufklärungsarbeit", sagt Wolfgang Hertinger, Präsident des Landeskriminalamtes (LKA) in Rheinland-Pfalz.

Nicht nur für die Bundespolizei, sondern auch für die gesamte Landespolizei bedeutet diese Situation eine enorme Belastung. Doch die meisten Kriminalisten und Terror-Experten sind sich einig, dass Attentäter bereits im Vorfeld gestoppt werden müssen. Wenn sie kurz davor sind, ihre Sprengsätze zu zünden, kann sie meist niemand mehr aufhalten. Die meisten Anschläge, die dann scheitern, misslingen aufgrund technischer Defekte. Das war bei den versuchten Sprengstoffattacken auf deutsche Eisenbahnzüge bei Köln und Koblenz im Juli 2006 nicht anders. Damals gingen die Bomben nicht hoch, weil Explosiv- und Sauerstoff nicht reichten. LKA-Präsident Hertinger läuft es noch kalt den Rücken herunter, wenn er daran denkt: "Es hätten viele Menschen sterben können."

Dennoch ist der LKA-Chef kein Freund von Panikmache: "Wir sind wachsam, aber stellen niemand unter Generalverdacht." Von bundesweit 130 Gefährdern, also potenziell militanten Islamisten, halten sich derzeit zehn in Rheinland-Pfalz auf. Zwei radikale Islamisten gelten sogar als "relevante Personen", die Kontakte zu terroristischen Netzwerken unterhalten sollen. "Dieser Personenkreis wird im Moment besonders genau überprüft", erklärt Hertinger. Zudem gehen die LKA-Spezialisten eine Reihe von Personen durch, die früher schon im Visier der Ermittler waren. Zugleich gilt der Grundsatz: Wer einmal verdächtig ist, bleibt nicht immer verdächtig. "Wir nehmen auch Leute wieder von der Liste, die nachweislich nichts mit terroristischen Umtrieben zu schaffen haben", so Hertinger. Das Problem an der jetzigen Situation ist, dass sie eine unendliche Zahl von Unbekannten beinhaltet. Stimmen die Angaben des amerikanischen und anderer Geheimdienste? Wo könnten die Terroristen zuschlagen? Sicher: In Rheinland-Pfalz gibt es mit den großen US-Militärbasen Ramstein und Spangdahlem vorrangige Ziele. Aber jeden Weihnachtsmarkt besonders schützen? Jedes Volksfest? Jedes Konzert? Jedes Fußballspiel? Jede Polizei dieser Erde käme da an ihre Grenzen.

Konkrete Hinweise fehlen weiterhin. "Rheinland-Pfalz taucht nirgendwo als Ziel auf", betont LKA-Chef Hertinger. Verschärfte Grenzüberwachung, Visa- und Personenkontrollen - der gesamte Aufwand hat bisher nichts erbracht, was zu einem konkreten Täter führt. "Wir wissen nicht einmal, ob die bisherigen Hinweise auf einen einzelnen Extremisten oder eine ganze Gruppe zurückgehen", sagt der LKA-Präsident. Ein Terrorismus-Fachmann meinte jüngst: "Heute ist es nicht besonders schwer, die westliche Welt in Angst und Schrecken zu versetzen, man braucht nur ein Video und das Internet."

Das weiß auch Hertinger. Und trotzdem wäre es fahrlässig, eine potenzielle Gefahr zu ignorieren. Die LKA-Abteilung für "politisch motivierte Kriminalität und Terrorismus" wurde aufgestockt. Die Fachleute von LKA, Bundeskriminalamt (BKA), Verfassungsschutz, den Diensten und Ministerien sind permanent im Gespräch - unterstützt vom Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum. Eine Schaltkonferenz jagt die nächste. Expertisen werden ausgetauscht. Analysen ausgewertet. Hinweisen aus der Bevölkerung wird nachgegangen. Hohen Polizeibeamten wie Wolfgang Hertinger ist dennoch wichtig, dass eine Gesellschaft sich nicht einschüchtern lässt: "Ich gehe weiter auf den Weihnachtsmarkt", sagt er. "Und wenn nicht, dann nur, weil mir die Schlangen am Glühweinstand zu lang sind."

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