Das Milliardenplus ist längst verplant

Berlin · Die neue Steuerschätzung wird zusätzliche Einnahmen für den Staat im Vergleich zur November-Prognose ergeben. Doch das Milliardenplus ist längst verplant, weitere Spielräume dürften sich kaum ergeben. Kommunalverbände warnen vor neuen sozialen Wohltaten.

Berlin. Die erwarteten Steuermehreinnahmen sollten aus Sicht des Städte- und Gemeindebundes für Investitionen in die marode Infrastruktur und zur Schuldenreduzierung genutzt werden. "Die im europäischen Vergleich niedrige deutsche Investitionsquote und der Investitionsrückstand werden zunehmend zur Gefahr für den Wirtschaftsstandort Deutschland", sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg am Dienstag in Berlin.
Vor Beginn der Steuerschätzung warnte der kommunale Spitzenverband vor "zusätzlichen sozialen Wohltaten". "Ein ,noch Mehr\' können wir uns nicht leisten, notwendig sind vielmehr Reformen, die das Sozialsystem langfristig stabilisieren", sagte Landsberg.
Bund, Länder und Gemeinden können dank der verbesserten Konjunkturaussichten und der stabilen Beschäftigungslage mit mehr Steuereinnahmen rechnen als bisher erwartet. Die am Dienstag in Berlin begonnene Mai-Steuerschätzung wird ein zusätzliches Plus im Vergleich zur letzten Prognose ergeben.
Allerdings werden die Erwartungen gedämpft. Denn der Großteil der Zusatzeinnahmen ist längst verplant, so dass sich kaum neue Spielräume für zusätzliche Ausgaben ergeben dürften. Die Ergebnisse der aktuellen dreitägigen Steuerschätzung werden an diesem Donnerstag verkündet.
Aus Expertensicht könnte sich für dieses Jahr ein zusätzliches Plus im Vergleich zur letzten Prognose zwischen zwei und drei Milliarden Euro ergeben. Im nächsten Jahr seien Mehreinnahmen im Vergleich zur November-Schätzung von bis zu sieben Milliarden Euro möglich, im Jahr 2018 könnte das Zusatzplus bei rund zehn Milliarden Euro liegen.
Bei der Steuerschätzung im November vorigen Jahres war bis zum Jahr 2018 ein Anstieg der Steuereinnahmen des Staates auf insgesamt 731,5 Milliarden vorausgesagt worden, nach 640 Milliarden in diesem Jahr.
Der Bund zumindest hat mögliche Zusatzeinnahmen bereits verplant. So beruhen die im März vorgelegten Eckwerte für die Haushaltspläne von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bereits auf höheren Einnahmeprognosen, als sie noch bei der November-Schätzung vorausgesagt worden waren.
Geld fürs Verkehrsnetz


Bei den Etat-Eckwerten für 2018 werden inzwischen Steuereinnahmen für den Bund von 311,6 Milliarden Euro unterstellt - rund 2,4 Milliarden Euro mehr als noch bei der Novemberschätzung erwartet. Ob sich nun ein nennenswertes weiteres Einnahmeplus ergibt, ist fraglich. Mit dem Plus sollen auch zusätzliche Ausgaben für das Verkehrsnetz, Bildung sowie Entlastungen der Kommunen finanziert werden.
Entlastungen der Steuerzahler durch einen Abbau der "kalten Progression" - also heimlicher Steuererhöhungen als Folge des Zusammenspiels von Lohnerhöhungen, steigenden Steuersätzen sowie Preissteigerungen - will Schwarz-Rot erst bei zusätzlichen Finanz-Spielräumen und frühestens 2016 angehen.
Der Städte- und Gemeindebund sieht seine Forderungen durch eine Forsa-Umfrage bestätigt. Danach spreche sich jeweils etwa ein Drittel dafür aus, mit den Steuermehreinnahmen in erster Linie die Staatsschulden abzubauen (30 Prozent) und die Infrastruktur zu verbessern (31 Prozent).
in weiteres Drittel sei dafür, vorrangig Vorhaben wie die Rente mit 63 oder die Mütterrente zu finanzieren (32 Prozent) - wobei dafür Jüngere, unter 45 Jahre alte Befragte, häufiger plädierten als ältere Bürger.Extra

Der Arbeitskreis Steuerschätzung besteht seit 1955. Experten von Bund und Ländern, Bundesbank, Kommunalverbänden, Forschungsinstituten und Statistik-Amt prognostizieren zweimal im Jahr die Steuereinnahmen - jeweils im Frühjahr und im Herbst. Die Vorhersagen sind Basis für die Haushaltspläne von Bund, Ländern und Kommunen. Sie basieren auf Wirtschaftsprognosen der Bundesregierung. Es werden mögliche Einnahmen - von der Lotteriesteuer bis zu den großen Posten der Lohn- und Umsatzsteuer - jeweils einzeln ermittelt. Zugrunde gelegt wird geltendes Recht - noch nicht verabschiedete Gesetze bleiben also unberücksichtigt. Eine wichtige Schätzvorlage kommt vom Bund. An dieser orientieren sich die anderen. Die Schätzer legen das nominelle, also das nicht um Preissteigerungen bereinigte Wirtschaftswachstum zugrunde. Steigen Löhne und Preise, legen Verbraucher- und Umsatzsteuern entsprechend zu. Allerdings sind das Kaufverhalten, aber auch das Ausmaß etwa von Steuerkriminalität schwer vorhersehbar. Die Voraussagen werden auch durch Steuerrechtsänderungen erschwert. Über die Treffsicherheit der Schätzer wird seit Jahren gestritten. dpa

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