Das Opfer hatte Todesangst

TRIER. "Noch ist es nicht so schlimm, dass man in Trier nachts nicht mehr auf die Straße gehen kann", betont der Erste Kriminalhauptkommissar Edmund Scheuern. Der erfahrene Trierer Kripo-Beamte will die Situation dennoch nicht verharmlosen. "Manchmal herrscht nur noch die nackte Gewalt."

Schlägereien, Überfälle, Messerstiche, blutende Opfer, Lebensgefahr - Stichworte wie diese prägten die Polizeiberichte der vergangenen Wochen immer wieder. Eine derartige Konzentration der Gewalt trifft viele Einwohner und Besucher der Stadt Trier wie ein Schlag ins Gesicht. Besorgnis, sogar Furcht sind die Folgen, das so genannte Sicherheits-Gefühl verschwindet. In dieser Situation richten sich natürlich alle Augen auf die Polizei. Was tut sie? Wie gut ist sie in dem, was sie tut? Kann sie das Sicherheits-Gefühl wieder stärken?"Wir haben die Lage gut im Griff"

Edmund Scheuern kennt sowohl die Formen der Gewalt als auch die Motive derer, die sie ausüben. Er leitet das Fachkommissariat, das sich regelmäßig mit beidem auseinander setzen muss. Dabei mangelt es ihm nicht an Selbstbewusstsein. "Wir haben die Lage recht gut im Griff" sagt er im Gespräch mit dem TV. Die Zahlen geben ihm Recht. Zwischen Januar und Oktober 2005 gab es im Bereich der Kriminalinspektion Trier - zuständig für die Stadt, den Landkreis Trier-Saarburg und Teile der Verbandsgemeinde Thalfang - genau 94 Raubstraftaten, davon 60 in der Stadt Trier. Im gleichen Zeitraum 2006 waren es 91 - ein minimaler Rückgang. Die Aufklärungsquote ist dabei gestiegen, von 53 auf 58 Prozent. Diese Zahlen können jedoch nicht beruhigen. Sie reichen nicht aus, das Sicherheits-Gefühl wieder zu stärken, und das ist Scheuern und seinen Kollegen auch völlig klar. "Die Hemmschwelle sinkt immer weiter, wenn es sie denn überhaupt noch gibt", sagt der Kripo-Beamte. "Es ist schlimm. Vor kurzem sagte mir ein Überfall-Opfer, es habe Todesangst gehabt. Ich habe ihm geglaubt." Das Opfer, ein Trierer Student, war auf dem Nachhauseweg, als ihn zwei Unbekannte von hinten ansprangen, zu Boden warfen und ihn immer wieder mit voller Wucht traten, auch ins Gesicht. Die Kripo setzt auf die abschreckende Wirkung einer schnellen Aufklärung. "Raub- und Gewaltdelikte setzten eine enorme Ermittlungs-Maschinerie in Gang", betont Scheuern. "Da rennt alles auf die Straße." Der Erste Kriminalhauptkommissar hebt dabei die aus seiner Sicht hervorragende Zusammenarbeit mit der Trierer Staatsanwaltschaft hervor, deren Konsequenzen mögliche Täter ebenfalls abschrecken könne. Scheuern: "Wenn wir einen Haftbefehl anregen, geht der fast immer durch." Und so landen auch Ersttäter, die in Frankfurt oder Berlin möglicherweise nach Feststellung der Personalien wieder davonspaziert wären, in Trier direkt hinter Gittern. Geld bleibt ein Hauptmotiv. Die Beschaffungs-Kriminalität ist ein Vorteil für die Ermittler: Die Täter hinterlassen Spuren, in vielen Fällen schlagen sie mehrmals zu, machen Fehler - und werden geschnappt. Die Serie der Überfälle auf Apotheken und Geschäfte 2005 in der Trierer Innenstadt war nach dem fünften Raubzug beendet, der Täter wurde beim Zählen des Bargelds festgenommen. "Der Mann war hochgradig heroin- und kokain-süchtig", sagt Scheuern. Bei einem Bedarf von zwei bis drei Gramm pro Tag musste er um die 4500 Euro pro Monat nur für seine Sucht aufbringen. Die Zufalls-Gewalt macht es der Kripo schwieriger. Der Täter sieht ein mögliches Opfer und beschließt spontan, sich einen Gewalt-Kick zu verschaffen. Es gibt wenig oder gar keine Zeugen, keine Anhaltspunkte. "Dennoch kriegen wir sie oft", betont Scheuern. Tendenz steigend.

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