Das Prinzip Hoffnung

Zwei Kardinalfragen schweben über der mit einem Besuch in der Tschechischen Republik begonnenen Europa-Reise von US-Präsident George W. Bush, wobei von der Brisanz natürlich der dreitägige G8-Gipfel in Heiligendamm hervorsticht.

Wird es - über den in Europa noch weit gehend mit Skepsis betrachteten Klima-Plan Bushs hinaus - eine Annäherung vor allem zur deutschen Position geben, was schließlich die Kräfte für einen Schadstoffausstoß-Konsens unter Federführung der Uno bündeln könnte? Und wie entwickelt sich das Verhältnis zu einem russischen Präsidenten weiter, der mittlerweile ebenso brüsk und rüde Außenpolitik betreibt, wie es der Westen stets Bush vorwirft, und der nun sogar ganz im Stil eines Kalten Kriegers damit droht, beim Bau des umstrittenen amerikanischen Abwehrsystems in früheren Mitgliedsstaaten des Ostblocks russische Raketen wieder mit Ziel Europa programmieren zu lassen? Dass das Weiße Haus im Vorfeld der Reise mit mehreren Initiativen - neben dem Umweltschutz sind da vor allem die humanitäre Lage im Sudan und Hilfen für Afrika bei der Aids-Bekämpfung zu nennen - erkennbar versuchte, das politische Klima zu verbessern, wird dem US-Präsidenten am Ende wenig helfen: Zu sehr fehlt ihm weltweit die Glaubwürdigkeit, worunter seine politischen Visionen oder Argumente weiter leiden. Das gilt vor allem für Bushs jüngste Ideen zur Begrenzung der Folgen der globalen Erwärmung. Zum einen fehlt dem Vorschlag, die größten Schadstoff-Emittenten der Welt an einen Tisch zu bringen, das "Fleisch" - wie eine klar definierte ehrgeizige Vorgabe für ein langfristiges Vorgehen. Zum anderen ist es natürlich kein Geheimnis, dass George W. Bush seit Amtsantritt sechs Jahre lang düstere Prognosen in Sachen Erd erwärmung in den Bereich der Unwissenschaftlichkeit rückte und dann, als das Problem nicht mehr geleugnet werden konnte, eher bescheidene Maßnahmen in Aussicht stellte, die im Vergleich zu europäischen Initiativen weit zurückhinken. Und amerikanische Diplomaten zeigten bis zuletzt das exakte Gegenteil von Feuer und Flamme, als es um die Frage neuer Verhandlungen für internationale Klimaschutz-Verträge ging. Deshalb muss hier bis auf Weiteres das Prinzip Hoffnung gelten, dass es in Heiligendamm, aber vermutlich erst viel später, doch noch gelingen wird, die einzelnen "Fahrpläne" im Kampf gegen die Erderwärmung in ein globales Konzept münden zu lassen. Ein Lichtblick immerhin ist, dass UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon das jüngste Bush-Papier guthieß - was ein Indiz dafür sein könnte, dass auch der Chef der Vereinten Nationen alles daransetzen wird, die Ideen des Weißen Hauses unter das Dach der Vereinten Nationen zu bringen. Gegen die derzeitigen Spannungen im Verhältnis zwischen Washington und Moskau wirkt die Klimaschutz-Debatte jedoch fast noch harmlos. Die von Bush angekündigte Aufklärungs-Offensive und der Versuch, Russland beim Raketenschild mit einzubinden, sind fraglos gescheitert. Stattdessen sieht die internationale Gemeinschaft mit der jüngsten Drohung Putins eine neue Eskalationsstufe, wobei die Besuche des US-Präsidenten in Prag und Warschau für seinen russischen Kontrapart ein schmerzhafter Dorn im Auge sein dürften. Kann diese Zuspitzung der Kontroverse ausgerechnet durch einen amerikanischen Präsidenten entschärft werden, der auf der Weltbühne als Mann auf Abruf gilt, dessen magere Zustimmungsquote ihm nicht gerade ein Höchstmaß an Legitimation verleiht, und der an seinen Überzeugungen gerade im sicherheitspolitischen Bereich normalerweise keine Zweifel gelten lässt? Die Aussichten dafür sind realistisch gesehen bis zum Ende der Amtszeit Bushs im Januar 2009 mager - trotz aller für die Fernsehkameras und Fotografen zur Schau gestellter Freundlichkeiten, die die G8-Treffen prägen.

 Friedemann Diederichs

Friedemann Diederichs

Foto: (Bildarchiv Saarbrücker Zeitung)
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