Das Schicksal der syrischen Familie Dodo

Wirges · Viele Menschen setzen sich dafür ein, dass die Familie Dodo, die vergangene Woche nach Polen abgeschoben werden sollte, weiter in Wirges (Westerwaldkreis) leben kann. Das Verwaltungsgericht Trier entscheidet am 2. April, ob der Asylantrag der syrischen Familie in Deutschland bearbeitet werden muss.

 Idris Dodo (Zweiter von rechts) hofft mit seinen drei Kindern, in Wirges bleiben zu können. Ehefrau Shirin Idesh liegt im Krankenhaus. Bruder Zakaria und seine Eltern unterstützen ihn. Foto: Andreas Jöckel

Idris Dodo (Zweiter von rechts) hofft mit seinen drei Kindern, in Wirges bleiben zu können. Ehefrau Shirin Idesh liegt im Krankenhaus. Bruder Zakaria und seine Eltern unterstützen ihn. Foto: Andreas Jöckel

Wirges. Idris Dodo (34) würde mit seiner Frau Shirin Idesh (32) und den drei Kindern gerne in seiner Heimat leben - wenn sie denn eine hätten. "Wir haben kein Land", klagt der Familienvater. In Syrien seien sie schon vor dem Bürgerkrieg als kurdische Minderheit verfolgt worden.
Seit 2008 versucht der gelernte Autoschlosser deshalb, in Deutschland Asyl zu bekommen. Doch die Unternehmung wird zu einer wahren Odyssee, die seine Frau an die Grenzen ihrer nervlichen Belastbarkeit bringt. Sie wird seit dem letzten Abschiebeversuch im Krankenhaus behandelt. Zur Unterstützung sind deshalb Bruder Zakaria und die Eltern aus Bonn angereist.
Geheimdienst-Vorwurf: Verrat


Zakaria Dodo wurde bereits vor 15 Jahren als Asylbewerber anerkannt und arbeitet als Taxifahrer. Die Eltern schafften vor sechs Monaten den Weg nach Deutschland und haben Aufenthaltsrecht, solange der Bürgerkrieg in Syrien andauert. Gemeinsam mit seinem Bruder schildert Idris Dodo die Ereignisse der vergangenen fünf Jahre so: 2008 reist die Familie erstmals mit Hilfe von Schleusern über Weißrussland und Polen nach Deutschland ein. Der Asylantrag wird in Deutschland 2009 abgelehnt, weil laut EU-Recht Polen für die Bearbeitung zuständig war. Zwei Mal wird die Familie nach Polen abgeschoben, wo die Lebensbedingungen ungleich härter sind. Einmal gelingt ihnen die Rückkehr in den Westerwald, nach dem zweiten Mal reisen sie nach Syrien zurück.
Nach einigen Jahren im Ausland wird Idris Dodo dort im Februar 2011 vom Geheimdienst wegen angeblichen "Verrats" verhaftet und ins Gefängnis gebracht. Im Mai darauf kann er bei einem Aufstand zu seinem Cousin und dem Rest der Familie fliehen. Im September 2011 gelingt den Dodos über die Türkei erneut die Einreise nach Deutschland, wo sie einen neuen Asylantrag stellen.
Abschiebung gestoppt


Dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dennoch in diesem Jahr erneut die Abschiebung nach Polen angeordnet hat, war nach Meinung von Wim Mischok, Kölner Anwalt der Familie, nicht in Ordnung. Kommende Woche will er die Odyssee der Dodos vor dem Verwaltungsgericht Trier beweisen. In den vergangenen beiden Jahren hat sich die Familie in Wirges weitgehend integriert. Der elfjährige Schiyar spricht gut Deutsch, seine ein Jahr ältere Schwester könnte bald die Förderschule verlassen. Die Kleinste fühlt sich im Kindergarten wohl.
Als die Polizei die Familie am 19. März erneut abholen wollte, war der elfjährige Schiyar so geschockt, dass er floh und erst am Abend wieder auftauchte. Die Mutter erlitt einen Schwächanfall. Der Polizeitransport mit dem Vater und seinen vier und zwölf Jahre alten Töchtern war schon in Leipzig, als das Verwaltungsgericht das Verfahren auf Intervention des Anwalts stoppte. Idris Dodo und die Kinder mussten mit dem Zug zurückfahren. Laut Landrat Achim Schwickert ist der Westerwaldkreis in der Angelegenheit lediglich "ausführende Behörde". Dennoch kritisiert Zakaria Dodo den Umgang der Ausländerbehörde mit der Familie seines Bruders. Das sei er in Bonn anders gewohnt. Dort sei die Behörde hilfsbereiter und vermittle auch mit dem Bundesamt. Kürzlich habe seine Mutter (64), die hier nur geduldet sei, eine Einladung zu einem integrativen Sprachkurs erhalten: "Das spricht doch für sich."
Extra

Das Asylrecht für politisch Verfolgte ist in Deutschland ein Grundrecht. Ausländer, welche über einen Staat der Europäischen Union oder einen sonstigen sicheren Drittstaat einreisen, können sich aber nicht auf das Asylrecht berufen. Abschiebungsgegner verweisen auf mögliche Behördenfehler, die fatale Folgen für die Betroffenen haben. redExtra

Seit Bekanntwerden des Schicksals der Familie Dodo unterstützen zahlreiche Menschen und Einrichtungen ihren Verbleib in Deutschland. Viele Unterschriften wurden gesammelt. Die Theodor-Heuss-Grundschule in Wirges, die Schiyar Dodo seit fast zwei Jahren besucht, hat in einer öffentlichen Erklärung davor gewarnt, dass ein erneuter Wechsel in ein anderes Land mit einer anderen Sprache aus psychologischer und pädagogischer Sicht für Schiyars Entwicklung ausgesprochen schädlich sei. Das bestätigte Schulsozialarbeiterin Eva Hummerich-Ritz, die sich regelmäßig um die Kinder und die Familie kümmert. Schiyars ältere Schwester habe ihre Sprachschwierigkeiten auf der Förderschule in Siershahn überwunden und könne bald in eine reguläre Schule wechseln. Eine Resolution, die den Verbleib der Familie im Westerwald fordert, hat die Schulleitung bereits an alle Eltern zur Unterschrift verschickt. Drei Frauen haben sich zu einer Privatinitiative zusammengeschlossen: Vera Apel-Jösch (Quirnbach), Natalie Brosch (Oberahr) und Nicole Palm-Freitag (Montabaur) sammeln ebenfalls Unterschriften unter dem Motto "Familie Dodo soll im Westerwald bleiben dürfen!" Das Formular kann im Internet unter www.stadt-statt.de/cms/unterschriften.pdf heruntergeladen werden.red

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