"Das Schlimmste ist überstanden"

TRIER/BITBURG/WITTLICH. "Kyrill" war heftig, aber das erwartete Chaos blieb aus – zumindest in der Region. Den ganzen Tag lang blies der Orkan über Eifel und Hunsrück. Am Nachmittag erreichte der Sturm seinen Höhepunkt.

 Auswirkung des Orkans: Bäume sind auf einer Länge von 200 Meter auf die Eifel-Bahnstrecke zwischen Lissendorf und Oberbettingen (Landkreis Vulkaneifel) gestürzt. Am Donnerstagnachmittag ist die Strecke stundenlang gesperrt. Die Feuerwehr kommt wegen des unwegsamen Geländes nicht mit ihren Fahrzeugen an die Einsatzstelle heran und muss deshalb die Räumung mit Muskelkraft und Motorsägen erledigen.TV-Foto: Fritz-Peter Linden

Auswirkung des Orkans: Bäume sind auf einer Länge von 200 Meter auf die Eifel-Bahnstrecke zwischen Lissendorf und Oberbettingen (Landkreis Vulkaneifel) gestürzt. Am Donnerstagnachmittag ist die Strecke stundenlang gesperrt. Die Feuerwehr kommt wegen des unwegsamen Geländes nicht mit ihren Fahrzeugen an die Einsatzstelle heran und muss deshalb die Räumung mit Muskelkraft und Motorsägen erledigen.TV-Foto: Fritz-Peter Linden

Rot. Ganz Deutschland ist rot auf der Karte des Deutschen Wetterdienstes. Unwetterwarnung. Einige Stellen sind dunkel-rot eingefärbt: extremes Unwetter, Lebensgefahr. Auch die Kreise Daun und Bernkastel-Wittlich erscheinen den ganzen Tag über dunkelrot. Windgeschwindigkeiten von 150 Stundenkilometern sagt der Wetterdienst für die Höhen von Eifel und Mosel voraus. Sturmchaos in Deutschland. So heftig wie seit Jahren nicht mehr. Radarbilder zeigen, wo der Orkan wütet

 Ausgedient: Dieser Regenschirm hat dem Sturm nicht standgehalten. TV-Foto: Friedemann Vetter

Ausgedient: Dieser Regenschirm hat dem Sturm nicht standgehalten. TV-Foto: Friedemann Vetter

Im Internet lässt sich verfolgen wie "Kyrill" immer näher kommt. Radarbilder zeigen, wo der Orkan gerade am heftigsten wütet. Die blaugefärbte Front mit starkem Regen nähert sich vom Norden her. Alle 15 Minuten, wenn das Bild aktualisiert wird, ist der Sturm wieder ein deutliches Stück näher an die Region herangerückt. Und je näher "Kyrill" kommt, um so mehr überschlagen sich die Meldungen von umgestürzten Bäumen, Stromausfällen und gesperrten Straßen. Am Morgen noch vereinzelt, dann gehäuft am Nachmittag. Das Mainzer Bildungsministerium reagiert prompt auf die Unwetterwarnungen. Es stellt den Schulen frei, die Schüler früher nach Hause zu schicken. In Wittlich geben die beiden Gymnasien, die Berufsbildenden Schulen sowie die Kurfürst-Balduin Realschule ihren Schülern nach der sechsten Stunde "sturmfrei". Auch am Trierer Hindenburg-Gymnasium ist nach 13 Uhr Schluss Man habe den ganzen Morgen telefoniert, um alle Eltern zu informieren, heißt es in der Schule. Obwohl der Sturm am Morgen noch mit relativ geringer Geschwindigkeit bläst, zeigen die Warnungen Wirkungen. In den Fußgängerzonen in Trier, Bitburg und Wittlich sind kaum Menschen unterwegs. Im Hochwald und im Hunsrück ist es zu dieser Zeit bereits heftiger. Die Bundesstraße 52 zwischen Farschweiler und Reinsfeld wird gegen Mittag wegen umgestürzter Bäume gesperrt. Es sei zu gefährlich auf dieser Strecke noch jemanden durchzulassen, sagt der Leiter der Straßenmeisterei Hermeskeil. Auch die B 269 zwischen Morbach und Birkenfeld wird gesperrt. Auf dem Flughafen Hahn läuft zu dieser Zeit noch alles ganz normal. Am Nachmittag dann werden erste Flüge gestrichen oder nach Köln umgeleitet. "Die Maschinen, die noch in der Luft sind, versuchen wir herunterzubekommen", sagt eine Flughafensprecherin. Der irische Billigflieger Ryanair hat auf seiner Internetseite eine hundertprozentige Erstattung des Flugpreises angeboten. Auch auf dem Luxemburger Flughafen Findel spitzt sich die Lage bis zum Abend zu. Flüge nach München, Berlin, London und Amsterdam werden gestrichen. Auch die Bahn bereitet sich auf den Sturm vor. Die Züge dürfen nur noch mit gedrosseltem Tempo fahren, ICE-Züge sind höchstens noch mit Tempo 200 unterwegs, Nahverkehrszüge dürfen nicht mehr schneller als 140 Kilometer in der Stunde fahren. Die Bahn bittet die Fahrgäste, möglichst frühzeitig den Heimweg anzutreten und nicht notwendige Reisen zu verschieben. In Nordrhein-Westfalen wird am Abend der komplette Regional-Verkehr eingestellt - mitten im Feierabend-Verkehr. Kurze Zeit darauf stellt die Bahn in Norddeutschland den kompletten Fernverkehr ein. In der Region Trier sind Einsatzkräfte seit den Morgenstunden fast ununterbrochen im Einsatz. Ständig klingelt das Telefon in den Einsatzzentralen. Von überall werden umgestürzte Bäume gemeldet. Bei Baustert (Eifelkreis Bitburg-Prüm) ist ein Baum auf das Auto einer 40-Jährigen gefallen. Die Frau bleibt unverletzt. Weniger Glück hat eine Fahrerin in Irmenach (Kreis Bernkastel-Wittlich). Eine 15 Meter hohe Tanne stürzt auf ihren Wagen, die Frau wird eingeklemmt und schwer verletzt. Während der Bergungsarbeiten stürzen weitere 25 Meter hohe Bäume auf die Fahrbahn und gefährden die Rettungskräfte. In Muhl (Verbandsgemeinde Hermeskeil) knickt aufgrund der Orkanböen ein Strommast um. Folge: Mehrere Stunden Stromausfall. Die Mitarbeiter des Stromversorgers RWE sind im Dauereinsatz, die Bereitschaft ist verstärkt worden. In den Verbandsgemeinden Kyllburg und Manderscheid und im Großraum Bitburg fällt zeitweise der Strom aus, nachdem Bäume auf Hochspannungsleitungen gestürzt sind. Genauso wie an der Oberen Kyll und in der Region Morbach. Besonders heftig trifft es die Gegend um Hermeskeil. Mehrere Bäume fallen in eine 20 000-Volt-Freileitung. Blackout rund um Hermeskeil. In einem Supermarkt fällt für vier Stunden der Strom aus. RWE-Sprecher Rolf Lorig meldet am Abend: "Das Schlimmste haben wir überstanden." Alle Orte in der Region sind wieder am Netz. Vor allem im Hunsrück wütet "Kyrill". Die B 50 zwischen Longkamp und der Hunsrückhöhenstraße wird am Nachmittag gesperrt, nachdem dort die Bäume der Reihe nach wie Streichhölzer umgeknickt sind. Sie können aber nicht weggeräumt werden, weil ständig umstürzende Bäume Lebensgefahr für die Einsatzkräfte bedeuten. Relativ glimpflich verläuft der Sturmtag in der Eifel. Zwar werden auch von dort etliche umgestürzte Bäume gemeldet. Doch es gibt keine größeren Behinderungen. Für Aufregung sorgt lediglich ein Baum, der den Zaun des Flugplatzes Spangdahlem beschädigt, sodass man für kurze Zeit ungehindert auf das Flughafengelände kommt. Zur gleichen Zeit herrscht in Luxemburg mittleres Chaos. Eltiche Straßen sind wegen umgestürzter Bäume und wegen Unfällen gesperrt.

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