Das Schweigen der SPD: Bedingt aufklärungsbereit

Berlin · Wird die Kinderpornografie-Affäre um Sebastian Edathy und um seine möglichen Informanten über drohende Ermittlungen nie richtig aufgeklärt? Für die SPD ist der Fall misslich, die Spitze schweigt.

(dpa) - Eva Högl ist nicht zu beneiden in diesen Tagen. Sie ist Vorsitzende des Edathy-Untersuchungsausschusses im Bundestag - und Sozialdemokratin. Sie wehrt sich gegen den Vorwurf „irgendetwas unter den Tisch zu kehren“. Aber nach dem Dichtmachen des Schlüsselzeugen, ihres Fraktionskollegen Michael Hartmann, ist fraglich, ob die Wahrheit in dieser Affäre um Kinderpornografie und Lügen je ans Licht kommt.

Mantramäßig sagt SPD-Chef Sigmar Gabriel, durch gute Regierungsarbeit wolle man Vertrauen zurückgewinnen - dann würden auch die Umfragen wieder besser. Gewinnt die SPD aber das Vertrauen der Menschen durch ein Verhalten, wie es Michael Hartmann an den Tag gelegt hat am Donnerstag? „Das ist alles nicht schön“, sagt ein Abgeordneter.

Sicher, es ist Hartmanns gutes Recht die Aussage zu verweigern, weil ihm staatsanwaltliche Ermittlungen drohen wegen des Verdachts auf Strafvereitelung. Und nun wahrscheinlich auch noch wegen einer möglichen uneidlichen Falschaussage. Aber politisch gesehen, ist die Aufklärungsarbeit nun blockiert. Und viele Fragen bleiben offen.

Es geht hier vor allem um einzelne SPD-Leute - aber dies als deren Privatangelegenheit abzutun? Es bleibt auch etwas an der SPD hängen, zumal weiter im Raum steht, dass die Dimension des Falls größer ist. Interessant ist das Schweigen von SPD-Chef Gabriel. Und Fraktionschef Thomas Oppermann blockt Fragen nach Konsequenzen für Hartmann ab - seinen Sprecher lässt er ausweichend ausrichten: „Untersuchungsausschuss und Staatsanwaltschaft müssen die ganze Angelegenheit aufklären.“ Die Opposition unterstellt vor allem Oppermann, mehr zu wissen. Er und Gabriel werden noch im Untersuchungsausschuss aussagen müssen.

Vorerst steht nun Aussage gegen Aussage. Hartmann bestreitet, den damaligen Fraktionskollegen Sebastian Edathy über mögliche Kinderpornografie-Ermittlungen informiert zu haben. So hatte er es bereits im Dezember im Ausschuss gesagt - dann folgten jedoch fünf Zeugen, die Edathys Angaben stützten, Hartmann sei Tippgeber gewesen.

Daraufhin sollte es einen Tag der Wahrheit geben - doch der fiel am Donnerstag aus. Stattdessen ergriffen Hartmanns Anwälte das Wort. In einer fünfseitigen Begründung für Hartmanns Schweigen betonten sie, die aufgebotenen Zeugen hätten ohnehin nur widergegeben, was Edathy ihnen erzählt habe.

Aber: Ein Zeuge, ein Vertrauter Edathys, hat etwas mehr gesagt. Er berichtete, wie Hartmann erst ihn persönlich und dann Edathy am 15. November 2013 beim Parteitag in Leipzig über den Kinderporno-Verdacht informiert habe. Er ist die erste Quelle, die neben Edathy persönlich etwas von Hartmann erfahren haben will. Auch, dass die SPD-Spitze bis hin zu Oppermann darüber im Bilde sei. Die großen Fragen nun: Will Hartmann jemanden schützen? Gibt es Druck auf ihn? Ist die Geschichte größer? Die Antworten können wohl nur aus der SPD kommen.

Vielleicht bringt der bald startende Prozess gegen Edathy zumindest mehr Licht in den Umfang seiner Kinderpornografie-Verwicklungen. Der Koalitionspartner Union ist verärgert über Hartmann. Grüne und Linke mahnen die SPD-Fraktion zum Handeln: Sie fordern, dass Hartmann sein Bundestagsmandat aufgibt. Der aber will nicht.

Auffällig sind die Absetzbewegungen und die Kritik von Hartmanns SPD-Heimatverband in Rheinland-Pfalz. Ministerpräsidentin Malu Dreyer muss nächstes Jahr eine Landtagswahl bestehen - da kann sie die Merkwürdigkeiten im Fall Edathy/Hartmann nicht gebrauchen. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil redet Tacheles: „Natürlich ist das ein Schaden für die SPD, da muss man nicht drüber reden.“

Auffällig auch, wie sehr die SPD-Fraktion sich zurückhält im Fall Patrick Sensburg. Der CDU-Politiker und Leiter des NSA-Untersuchungsausschusses war von seiner Freundin wegen Prügelvorwürfen angezeigt worden. Es mutet wie ein Nichtangriffspakt an, der verhindern soll, dass die Causa Hartmann höher kocht. Die Opposition fragt, ob der 51-Jährige seine Arbeit als Volksvertreter noch glaubwürdig ausführen kann - überall drohen Hartmann Fragen zur Rolle in der Edathy-Affäre einzuholen.

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