Das stille Leid der Liberalen

Zum Fest der heiligen drei Könige versammeln sich in Stuttgart regelmäßig Menschen, die sich Liberale nennen und in der FDP organisiert sind. Sie feiern sich dabei ein bisschen selbst und schimpfen ansonsten auf die rot-grünen Versager, die in Berlin regieren.

Dieser Vorgang wiederholt sich Jahr für Jahr, ohne dass sich Entscheidendes in der Befindlichkeit der Partei oder am Interesse der Öffentlichkeit ändern würde. Diesmal ist der Sachverhalt noch problematischer: Die Freien Demokraten streiten über ihre Generalsekretärin. Und sie leiden still an ihrem Vorsitzenden. Keine guten Aussichten für eine Partei, die einst mit dem Jungdynamiker Guido Westerwelle angetreten ist, um die grüne Konkurrenz und auch die großen Volksparteien das Fürchten zu lehren. Was hatte sich Westerwelle nicht alles vorgenommen! Was aber hat er sich bei dem Versuch, das Rad neu zu erfinden, auch übernommen. Alles Möllemann schuld, der tragische Held im Jenseits? Oder etwa Westerwelle selbst, weil er die Menschen mit seiner Volte vom Spaßpolitiker zum Klageweib der Nation überfordert hat? Ungeklärt ist auch die Frage, ob sich der Liberalismus als eigenständige Kraft vielleicht überlebt hat in Zeiten, da bürgerliches und sozialdemokratisches Gedankengut ineinander verschwimmen und die Politik der Parteien sowie ihre Politiker immer austauschbarer werden. Jedenfalls, und daran bestehen wenig Zweifel, ist die FDP in der Krise. Der Vorsitzende wirkt "schrill und unbeliebt" und hat die Partei "unsichtbar gemacht", schreibt die renommierte "Zeit". Ein hartes Urteil, das gleichwohl nicht substanzlos ist, zumal es von vielen liberalen Funktionsträgern unter der Hand bestätigt wird. Man ist nicht wirklich zufrieden mit Westerwelle, man ist eher missmutig und ratlos, weil alle politischen Ansätze scheinbar wirkungslos verpuffen. Auch wenn gewisse Wahlerfolge nicht zu bestreiten sind, lässt sich schwerlich behaupten, dass die Westerwelle-FDP an Attraktivität gewonnen hat. Dabei sollte mit dem fixen Rhetoriker, der mühelos auf jeder Zeitgeistwelle surft, das graumäusige Image abgestreift werden. Es ist nicht recht gelungen. Dabei hat die Partei konstruktive Vorschläge erarbeitet (Steuerreform), sie hat respektables Personal (Wolfgang Gerhardt, Rainer Brüderle, Birgit Homburger, Hermann-Otto Solms, Dirk Niebel), sie kann das Zünglein an der Waage spielen - aber sie bleibt trotzdem blass und unspannend. Warum? Weil sie ihre Seele als Hüterin der Bürgerrechte verloren hat? Weil alte Klassiker wie Hans-Dietrich Genscher und Otto Graf Lambsdorff nicht mehr aktiv sind? Weil die Generalsekretärin Cornelia Pieper angeblich nicht den richtigen Ton trifft? In Stuttgart hat der Vorsitzende Westerwelle abermals ein Programm vorgelegt, mit durchaus guten Ansätzen. Doch die Bürger verzehren sich nicht nach Programmen, es hängt ihnen vielmehr zum Hals heraus, stets die gleiche Litanei zu hören. Was sie wollen, ist eine klare Botschaft, die sich nicht in ewigen Steuersenkungsforderungen und Dauerappellen zur Eigenvorsorge erschöpft. Sie wollen eine politische Anmutung, die Hirn und Herz berührt. Und Vorbilder, die sich an den Regeln orientieren, die sie selbst predigen. nachrichten.red@volksfreund.de

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