Das süße Nichtstun

TRIER. Sie waren die modernen Helden, bauten florierende Internet-Firmen auf, handelten an der Börse. Handys, schnelle Autos und Mobilität per Flugzeug waren Statussymbole. Heute sind sie ausgebrannt, sie suchen die Ruhe. Viele Menschen entschleunigen ihr Leben.

Das Hamsterrad rotiert: Morgens in der Frühe bereits in der Firma, ständig Besprechungen, abends und am Wochenende ins Fitness-Studio, dazwischen immer wieder Verabredungen, bloß nicht zu Hause rumsitzen. Selbst die Freizeitgestaltung wird zum Stress, ohne Terminkalender läuft nichts mehr. Nun sind viele dieser Jungunternehmer ausgebrannt. "Viele zwischen 30 und 40 Jahren schaffen diese ständigen Anforderungen einfach nicht mehr", erklärt Birgit Gebhardt vom Hamburger Trendbüro. Burn-Out-Syndrom nennt sich das auf Neudeutsch. Einfach nur mal abhängen, faul auf der Couch liegen - noch vor ein paar Jahren für die neuen Wirtschaftshelden undenkbar und spießig. Jetzt wird es mit dem Schlagwort Entschleunigung sogar zum Trend: die Lust auf Langsamkeit. Statt immer nur ans Geldverdienen zu denken und durchs Leben zu hetzen aus Angst etwas zu verpassen, imitieren viele Junge zumindest in Teilen das Leben ihrer Eltern. Selbst Gärtnern im eigenen Schrebergarten ist angesagt. "Hacke statt Handy" hat das Trendbüro diese Entwicklung getauft. 3,7 Milliarden Euro wurden allein 2002 für Pflanzen und Gartenmöbel ausgegeben. Gartenarbeit als Mittel gegen den Stress im Job, der Garten als verlängertes Wohnzimmer. Auch die Sehnsucht danach, sich wohlzufühlen, nach Wellness, nimmt zu. Dabei geht es nicht mehr nur darum, in Fitness-Studios die Figur zu stählen, sondern um wirkliche Entspannung: Sauna, Whirlpool, Schwimmbad, Massagen. Die Seele einfach baumeln lassen, faul sein und das süße Leben genießen. Genuss auch beim Essen. Jüngere legen heute mehr Wert auf gutes, ausgiebiges Essen. Es wird nicht mehr nur schnell was aus der Kühltheke der nächsten Tankstelle in die Mikrowelle geschoben, es darf auch mal ein opulentes (selbst gekochtes) Mehrgang-Menü mit Freunden sein. Essen ohne Hast hat sich auch die Mitte der 80er Jahre die in Italien gegründete Slow-Food-(Langsam-Essen)-Bewegung als Gegenpol zu Fast-Food auf die Fahnen geschrieben. Selbst wenn es nicht das selbst gekochte Viergang-Menü ist, so scheinen die Ansprüche an die Lebensmittel doch gewachsen zu sein. "Selbst bei Tiefkühlkost wird vermehrt auf Qualität geachtet", sagt Bernd Neisen von der Trierer Werbe-Agentur Dietz und Partner. Qualität beim Essen werde von vielen mit mehr Lebensqualität gleichgesetzt. Daher sei die Kampagne für die Dachmarke Eifel, mit der alle Produkte aus dieser Region beworben werden sollen, voll im Trend.

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