Interview Bijan Djir-Sarai „Das wäre eine echte Sensation“

Berlin · Der im Iran geborene Bundestagsabgeordnete lobt den Vorstoß Riads für bessere Beziehungen mit Israel.

 Bijan Djir-Sarai.

Bijan Djir-Sarai.

Foto: FDP

Saudi-Arabien und Israel sind tief verfeindet und formal betrachtet sogar im Kriegszustand. Umso erstaunlicher nun die Charme-Offensive des saudischen Kronprinzen bin Salman. Der außenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Bijan Djir-Sarai (41), sieht darin Anzeichen für ein politisches Tauwetter im Nahen Osten. Mit dem Freidemokraten, der in Teheran (Iran) geboren wurde und in Köln Betriebswirtschaftslehre studierte, sprach unser Berliner Korrespondent Stefan Vetter:

Herr Djir-Sarai, hat Sie das Bekenntnis des saudischen Kronprinzen zur Existenz Israels überrascht?

DJIR-SARAI Das kam schon überraschend. Aber wenn man sich die jüngste Entwicklung im Nahen Osten ansieht, dann liegt in dem Vorstoß auch eine gewisse Logik. Seit der Wahl von US-Präsident Trump erleben wir einen schleichenden Rückzug der US-Diplomatie aus dem Nahen und Mittleren Osten. Jüngstes Beispiel ist Trumps Ansage, um Syrien mögen sich andere kümmern, aber nicht die Amerikaner. Vor diesem Hintergrund treten die gemeinsamen Interessen der Saudis und Israels stärker zutage.

Was sind das für Interessen?

DJIR-SARAI Beide Länder haben einen gemeinsamen Freund, nämlich die USA, und einen gemeinsamen Feind, den Iran. Wenn die USA sich aus der Region zurückziehen, dann ist das für beide Länder gefährlich. Deshalb gibt es hinter den Kulissen auch schon Kontakte zwischen den Saudis und Israel. Zum Beispiel im geheimdienstlichen Bereich.

Warum wäre ein stärkerer Einfluss des Iran im Nahen Osten problematisch?

DJIR-SARAI Die religiösen Hardliner im Iran haben mehr Macht als die dortige Regierung. Und sie sind sehr ideologisch. Sie wollen nach wie vor einen Revolutionsexport in die Nachbarländer. Deshalb gibt es zwischen dem Iran und Saudi-Arabien auch einen Wettbewerb um die Vormachtstellung in der Region. Der Iran hat stark an Einfluss im Irak, in Syrien und auch in Afghanistan gewonnen. Das sehen auch die Saudis als Bedrohung für sich.

Gerade erst ist der palästinensisch-israelische Konflikt wieder eskaliert. Droht der Vorstoß aus Riad da nicht gleich wieder zu versanden?

DJIR-SARAI Die Bilder vom jüngsten Gewaltausbruch an der Grenze zu Israel spielen in der arabischen Welt sicher eine große Rolle. Den Menschen dort sind solche Bilder allerdings schon seit Jahrzehnten leidvoll vertraut. Deshalb fragen sie sich, wann sich endlich etwas zum Besseren tut. Insofern ist der Zeitpunkt für entsprechende Initiativen immer gut oder eben schlecht gewählt – je nach Standpunkt des Betrachters.

Könnte eine Achse Saudi-Arabien – Israel tatsächlich Positives im Nahen Osten bewirken?

DJIR-SARAI Wenn sie nur eine militärische Achse wäre, sicher nicht. Wenn es aber eine diplomatische Offensive für Entspannung und Frieden geben würde, dann wäre ein politisches Tauwetter im Nahen Osten bei allen Problemen durchaus realistisch. Das könnte auf Syrien und andere Spannungsgebiete ausstrahlen und den Iran komplett isolieren.

Wie realistisch ist ein solches Szenario? Der saudische Kronprinz hat ja auch ein Friedensabkommen für die Region angeregt.

DJIR-SARAI Ich halte das Ganze durchaus für realistisch. Wenn sich Israelis und Saudis zusammensetzen, dann könnte das der Beginn einer neuen Friedensinitiative sein. Für eine Region, in der sich seit Jahrzehnten praktisch nichts bewegt, in der die Fronten tief verhärtet sind, wäre das eine echte Sensation. Saudi-Arabien ist ein großer Player. Wirtschaftlich – aber auch, was den Einfluss auf die arabischen Staaten angeht.

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