Das Ziel: Flucht in geordneten Bahnen - Was die Grenzkontrollen bedeuten und was nicht

Berlin · Die Bundesregierung will mit der Einführung der Grenzkontrollen den Flüchtlingsstrom besser kontrollieren. Alle, die derzeit die Grenze nach Deutschland passieren möchten, müssen sich auf Wartezeiten einstellen.

Deutschland hat wieder Grenzkontrollen eingeführt, um des wachsenden Zustroms an Flüchtlingen Herr zu werden. Schwerpunkt ist zunächst die Grenze zu Österreich. Die Bundesregierung behält sich aber vor, auch bei anderen Binnengrenzen genauer hinzuschauen. Nachfolgend die wichtigsten Details und Hintergründe der Maßnahme:

Wie ist die rechtliche Grundlage?
Das Schengener Abkommen garantiert grundsätzlich den freien Reiseverkehr innerhalb der EU. In Artikel 25 des Schengener Grenzkodexes heißt es jedoch einschränkend: "Erfordert die öffentliche Ordnung oder die innere Sicherheit eines Mitgliedstaates ein sofortiges Handeln, so kann der betreffende Mitgliedstaat ausnahmsweise an den Binnengrenzen unverzüglich Grenzkontrollen wieder einführen." Die Bundesregierung spricht von einer vorübergehenden Maßnahme. Kritiker wie die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl halten die Entscheidung trotzdem für rechtswidrig. Begründung: Flüchtlinge seien Schutzsuchende und keine Gefahr für die öffentliche Ordnung.

Ist Deutschland jetzt für Flüchtlinge dicht?
Nein. Wer in Deutschland Asyl beantragen will, wird auch künftig an der Grenze nicht zurückgewiesen. Das Grundrecht auf Asyl bleibt also trotz Wiedereinführung der Grenzkontrollen unangetastet, wie Vize-Kanzler Sigmar Gabriel (SPD) betonte. Wer "Asyl" sagte, wurde gestern von der Bundespolizei zur Registrierung gebracht und nicht zurückgeschickt. Die Bundesregierung erhofft sich aber von der Maßnahme, den Flüchtlingsstrom wieder in geordnete Bahnen zu lenken und Schlepper abzuschrecken. Dafür gibt es mehrere Anhaltspunkte: Zum einen spricht sich die Entscheidung bei den Flüchtlingen schnell herum. Zum anderen hat Österreich auch vorübergehend Kontrollen an der Grenze zu Ungarn eingeführt. In Ungarn wiederum tritt heute eine verschärfte Gesetzgebung in Kraft, die das Überschreiten der Grenze aus Serbien mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft.

Könnte Deutschland Asylbewerber abweisen?
Nach dem Abkommen von Dublin ist Deutschland eigentlich nur für die wenigsten Flüchtlinge zuständig. Denn dort ist geregelt, dass Asylbewerber von dem EU-Land aufgenommen werden müssen, das sie zuerst betreten haben. In der Praxis hat aber zum Beispiel Ungarn die Flüchtlinge gleich in Richtung Österreich und Deutschland durchgewinkt. Das heißt, es gab dort keine ordnungsgemäßen Verfahren. Vor diesem Hintergrund kommt die Ermessensklausel des Dubliner Abkommens ins Spiel.

Was bedeutet die Ermessensklausel?
Nach Artikel 17 des Dubliner Abkommens kann jeder Staat freiwillig die Zuständigkeit für Flüchtlinge übernehmen, obwohl ein anderer Staat zuständig wäre. Auf dieses sogenannte Selbsteintrittsrecht beruft sich die Bundesregierung, wenn sie praktisch keinen Asylbewerber an der Grenze abweist. Im Falle Griechenlands tut sie das übrigens schon länger. Ähnlich wie in Ungarn gilt das Asylsystem auch dort als mangelhaft. Deshalb werden seit Jahren keine Flüchtlinge mehr von Deutschland nach Griechenland überstellt. Fraglich ist, ob sich dieses Freiwilligkeitsprinzip in Berlin auf Dauer durchhalten lässt, sollten die Flüchtlinge weiter unvermindert nach Deutschland drängen.

Lösen die Grenzkontrollen das Problem?
Nein, davon geht nicht einmal Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) aus. Die Maßnahme ist eher symbolisch und ein Signal an die meisten anderen EU-Länder, ebenfalls Verantwortung zu übernehmen. Die Bundesregierung hält sich ja auch darüber bedeckt, wie lange die Grenzkontrollen anhalten und an welchen Stellen sie in nächster Zeit noch zum Zuge kommen könnten.

Was bedeuten die Grenzkontrollen für die Bundesbürger?
Wartezeiten beim Grenzübertritt dürften jetzt unvermeidlich sein. Das gilt für die Land-, Luft- und Seewege gleichermaßen. Reisende sollten auch immer den Personalausweis dabei haben. Für weitere Fragen ist laut Bundesinnenministerium die Bundespolizei rund um die Uhr gebührenfrei unter der Telefonnummer 0800/6888.000 erreichbar.

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