Daumen rauf oder Daumen runter?

BERLIN. Das Timing ist wohl bewusst so gewählt. Am Wochenende wird sich das Schicksal Florian Gersters als Chef der Bundesagentur für Arbeit (BA) entscheiden.

Die Entscheidung über das Schicksal Gersters naht: Und zwar nicht nur deshalb, weil sich der 21-köpfige Verwaltungsrat der Behörde am Samstag zu einer Sondersitzung trifft, auf der Gersters umstrittene Beraterverträge und vor allem der endgültige, gesamte Prüfbericht der BA-Innenrevision Thema sein werden. Viel wichtiger ist, dass auch Bundeskanzler Gerhard Schröder am Samstagabend zurück sein wird von seiner Afrika-Reise. Der Mann also, der den BA-Chef vor fast zwei Jahren mit Lobeshymnen ins Amt hievte, dürfte am Ende in enger Abstimmung mit Wirtschafts- und Arbeitsminister Wolfgang Clement (SPD) den Daumen über den Vorstandsvorsitzenden der Bundesagentur heben oder senken. Liegen die Prüfungsergebnisse vor, "dann wird es eine Stellungnahme geben, ob damit Entscheidungen verbunden sind, ist im Moment spekulativ", wehrte gestern die Sprecherin von Arbeitsminister Clement, Andrea Weinert, ab. Nach seinen Treueschwüren zu Gerster hatte sich der Minister am Dienstagabend mit dem Präsidium des Verwaltungsrates getroffen und "Sachkenntnisse eingeholt". Dabei einigte man sich, zunächst die Resultate der Innenrevision abzuwarten, die spätestens am Samstag vorliegen sollen. Aufgrund des öffentlichen Drucks und immer neuer Vorwürfe prüfen die Revisoren in Windeseile, ob bei der Vergabe von etwa 170 externen Beraterverträgen im Umfang von insgesamt rund 60 Millionen Euro die Richtlinien für Ausschreibungen beachtet worden sind. Eingeschlossen sind auch die drei Erweiterungsverträge, die Teil der kritisierten BA-Verträge mit dem Münchner Unternehmensberater Roland Berger sind - nach Presseberichten wurden sie ohne Ausschreibung vergeben, allerdings von der Fachebene der Nürnberger Bundesagentur. Unklar war gestern seitens des Ministeriums, ob es überhaupt für solche Erweiterungsverträge einer neuen Ausschreibung bedarf. "Herr Gerster ist zur Stunde das, was er ist", meinte der stellvertretende Regierungssprecher Hans Langguth viel sagend. Ein klares Bekenntnis klingt anders. Soll heißen, das Vertrauen der Bundesregierung in den BA-Chef scheint nach den immer neuen Vorwürfen nun doch nicht mehr allzu groß zu sein - schließlich ist die seit Monaten anhaltende Diskussion um den Rheinland-Pfälzer inzwischen auch nach Ansicht der Regierung für die Arbeit der Bundesagentur "nicht hilfreich". Ebenso aus den eigenen Reihen erhält der SPD-Mann nur noch eher lauen Flankenschutz: Beim Umbau der Behörde komme es nun mal auf eine "enge und vertrauensvolle" Zusammenarbeit zwischen Vorstand und Verwaltungsrat an, so zum Beispiel der SPD-Arbeitsmarktexperte Klaus Brandner. Davon hänge der Verbleib Gersters im Amt ab. Mehrere Politiker aus fast allen Parteien äußerten gestern überdies erneut die Vermutung, dass der BA-Boss Opfer einer gesteuerten Kampagne sei von Kräften innerhalb seines Hauses, die den tief greifenden Reformprozess boykottieren wollten. Dass die Lage für den Agenturchef womöglich brisanter ist, als er selbst vielleicht glaubt, dafür könnte auch ein Umstand am Rande sprechen: So zugeknöpft und wortkarg wie momentan erlebt man nämlich die stellvertretende DGB-Vorsitzende und BA-Verwaltungsratsmitglied Ursula Engelen-Kefer äußerst selten - und das ist in der derzeitigen Situation kein gutes Omen für Gerster.

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