Debatte im Fünf-Minuten-Takt

BERLIN. Kann man in fünf Minuten über die Weltreligionen, Pressefreiheit, Toleranz, Globalisierung und vieles mehr reden? Nicht mit großem Tiefgang jedenfalls, und dafür lieferte der Bundestag am Freitag den Beweis.

Auf Antrag der Grünen hatte sich das Berliner Parlament des Themas Karikaturenstreit angenommen, das die Welt in dieser Woche aufgewühlt hat. Die Geschäftsordnung gibt vor, dass in einer Aktuellen Stunde jeder Redner nur fünf Minuten Zeit hat, was automatisch dazu führte, dass alle nur Kernbotschaften vorbringen konnten. Die Reden ähnelten sich sehr: Klare Verteidigung der Pressefreiheit, aber die Mahnung auch an die Medien, respektvoll mit Religionen umzugehen. Und noch klarer die Verurteilung der gewalttätigen Proteste in den islamischen Ländern. Fast alle Redner betonten auch, dass der Dialog der Kulturen notwendig sei. Es dürfe nicht zu einem Kampf der Kulturen kommen. Man kann nach dieser Debatte feststellen, dass mindestens 90 Prozent der deutschen Volksvertreter eine Linie der Vernunft und des Ausgleichs verfolgen. Innerhalb dieses Rahmens legten die Redner aber unterschiedliche Schwerpunkte. Einige erlagen auch der Versuchung, innenpolitisch zu punkten. Fritz Kuhn von den Grünen etwa schloss aus der Entwicklung, dass der Türkei eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung eines europäischen Islam zukomme, der die Trennung von Kirche und Staat respektiere. Ein Argument für den EU-Beitritt des Landes. Sein Fraktionskollege Jürgen Trittin griff den baden-württembergischen "Muslim-Fragebogen" an. "Es ist kein Beitrag zur Deeskalation, wenn wir Muslime bei Einbürgerungen gesondert testen." Bei den Rednern von CDU und FDP fiel auf, dass sie sich deutlich weniger selbstkritisch mit den dänischen Mohammed-Karikaturen beschäftigten, dafür aber umso kritischer mit der islamischen Reaktion. FDP-Fraktionschef Wolfgang Gerhard fand einige der Karikaturen gar gelungen, andere weniger. Darum aber gehe es nicht. Es gehe darum, dass nicht eine Religion die Deutungshoheit darüber haben dürfe, was gestattet sei und was nicht. Der Protest in den islamischen Ländern habe jedes Maß überschritten. "Wir sagen den Muslimen in aller Welt: Sie selbst sorgen für das Ansehen ihrer Religion." Stärkere Solidarität mit Dänemark?

Der junge CDU-Abgeordnete Freiherr zu Guttenberg forderte eine stärkere Solidarität mit Dänemark und betonte, die eigentliche Konfliktlinie laufe nicht zwischen Islam und westlichen Ländern, sondern "zwischen denen, die Terror und Hass predigen, und denjenigen, die für Menschenrechte und Meinungsfreiheit eintreten, egal in welcher Religion". Die einzige muslimische Rednerin des Tages, die Kölner SPD-Abgeordnete Lale Akgün, pflichtete ihm im Kern bei. Es gebe keinen Gegensatz zwischen Demokratie und Islam, die Menschenrechte müssten universell gelten. Abseits stand in der Debatte nur die PDS/Linkspartei. Ihr Redner Norman Paech gab dem Westen die Schuld an der Eskalation. Die islamische Welt erlebe täglich Demütigungen, sagte Paech und nannte den Irak-Krieg, den Druck auf den Iran und die Globalisierung. Die Karikaturen seien eine weitere Provokation gewesen. An anderen Tagen hätte ein solcher Beitrag wohl zum Eklat geführt, doch am Freitag blieb es im Bundestag ruhig. Es fehlte Emotion. Vielleicht, weil die Muslime in Deutschland bisher friedlich protestiert und ihre Verbände ebenfalls zum Dialog aufgerufen haben, wie mehrere Redner lobten? "Die aktuelle Stunde ist beendet", sagte Parlamentspräsident Norbert Lammert (CDU) nach genau 60 Minuten. "Aber sicher nicht die Debatte über das Thema."

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