Debatte rührt an die Seele der CDU

Nach intensiver Debatte hat sich die CDU auf ihrem Parteitag gestern in Karlsruhe mit hauchdünner Mehrheit für ein Verbot der "Präimplantationsdiagnostik" (PID) ausgesprochen. Dabei geht es um die Untersuchung von künstlich befruchteten Eizellen auf Gendefekte vor ihrer Einpflanzung in den Mutterleib.

Karlsruhe. 408 Delegierte stimmten in der geheimen Abstimmung für, 391 gegen ein Totalverbot. Die Unterlegenen hatten eine begrenzte Zulassung des Verfahrens gewollt.

Die Messehalle in Karlsruhe ist ein nüchterner Zweckbau. Dennoch fielen auf dem Parteitag häufig Begriffe wie Gott, Leben, Leid, Schicksal. Es wurden Reden mit großem moralischen und philosophischen Tiefgang gehalten. 31 Wortmeldungen gab es, und auch nach über drei Stunden waren die 1000 Delegierten noch hochkonzentriert. Es war, wie Bundestagspräsident Norbert Lammert sagte, "eine Debatte, die an die Seele der Partei rührt". Folgende Hauptargumente wurden vorgebracht:

"Es gibt einen Unterschied zwischen dem Embryo im Mutterleib und dem in der befruchteten Eizelle." Das sagte Familienministerin Kristina Schröder, PID-Befürworterin, und machte zur Erläuterung ein "Gedankenexperiment". Angenommen in einem Laborraum befänden sich ein Baby sowie ein Gefäß mit zehn befruchteten Eizellen. Es brenne, und man könne nur eins retten, das Baby oder das Gefäß. "Wen würden Sie retten?", fragte Schröder und antwortete: "Fast alle hier im Saal würden sich für das Baby entscheiden."

Ein Kirchenvertreter, der nicht genannt werden wollte, spottete: "Babys liegen selten in solchen Labors rum." Schröders besseres Beispiel war die Spirale. Sie verhindere die Einnistung der befruchteten Eizelle in der Gebärmutter. "Dann müssten wir auch die verbieten", sagte die Ministerin. Letztlich ging es um die Frage, wann das Leben beginnt.

Julia Klöckner, rheinland-pfälzische Spitzenkandidatin, hatte dazu eine glasklare Position: "Entweder man respektiert die Würde des Lebens von Anfang an oder eben nicht."

Ähnlich äußerte sich auch Fraktionschef Volker Kauder.

"Ich habe die Sorge, dass wir die Grenzen nicht definieren können", sagte Kanzlerin Angela Merkel und meinte, es sei kaum zu bestimmen, für welche Krankheiten die Untersuchungsmethode zugelassen werde und für welche nicht. Etliche Redner, darunter viele Ärzte, berichteten, dass mit PID nicht nur Krankheiten wie Mukoviszidose feststellbar seien, sondern auch die Wahrscheinlichkeit von Brustkrebs oder Herzinfarkt. Es stelle sich die Frage, ob auch diese Embryonen aussortiert werden sollten.

Der gestrige CDU-Beschluss bedeutet eine Bestätigung des geltenden Grundsatzprogramms der Partei. Das Verbot war Rechtslage im Embryonenschutzgesetz, bis im Sommer der Bundesgerichtshof anders urteilte. Nun muss der Bundestag neu entscheiden.

Hintergrund Mit Hilfe der Präimplantationsdiagnostik (PID) sollen Fehl- und Totgeburten, der Tod des Neugeborenen oder die Geburt eines schwer kranken Kindes vermieden werden. Zeigt sich eine mögliche Krankheit, wird der Embryo gegebenenfalls nicht in den Mutterleib eingesetzt. Dafür werden dem mindestens drei Tage alten Embryo einige Zellen entnommen. Es wird das Erbgut auf veränderte Gene untersucht, die zum Beispiel für Muskelschwund, Stoffwechsel- und Lungenkrankheiten oder die Bluterkrankheit verantwortlich sind. In Deutschland gibt es bisher kein Gesetz, dass PID erlaubt oder verbietet. Im Juni 2010 entschied der Bundesgerichtshof in Leipzig, dass Gentests an künstlich befruchteten Embryonen erlaubt sind.

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