Dem Klüngel muss ein Ende gemacht werden

TRIER. Fast täglich kommen neue Korruptionsfälle an die Öffentlichkeit. Wie kann dem begegnet werden? Wie hoch ist der entstandene Schaden? Darüber sprachen wir mit Hansjörg Elshorst, Vorsitzender der unabhängigen Organisation Transparency International, die sich seit Jahren die Korruptionsbekämpfung auf die Fahnen geschrieben hat.

Wildmoser, Mehdorn - Die Liste der Korruptionsfälle oder der in Verdacht geratenen Personen ließe sich fortsetzen. Verkommt Deutschland zur Bananenrepublik?Elshorst: Deutschland verkommt nicht zur Bananenrepublik, sondern ist auf dem Weg der Besserung. Man muss diese Fälle unterschiedlich bewerten. Gerster wurde vorgeworfen, die Vergabeordnung nicht beachtet zu haben. Das ist zunächst einmal keine Korruption, sondern im öffentlichen Bereich eine leider außerordentlich übliche Abkürzung des Verfahrens. Plötzlich wurde das zu einem Thema nur weil es den Herrn Gerster betraf. Das ist auch gut so. Bei Mehdorn hat die Staatsanwaltschaft längst den Vorwurf zurückgezogen. Deutschland ist auf dem Weg der Besserung, weil es Probleme, die es seit langem gibt, endlich aufarbeitet. Warum gibt es in jüngster Zeit so viele "dicke" Korruptionsfälle? Der Skandal um das Münchener Stadion und den Fußballclub-Präsidenten Wildmoser bzw. dessen Sohn ist ja schon ein größeres Kaliber. Elshorst: Wäre Wildmoser nicht ein Prominenter, wäre es wahrscheinlich gar nicht so groß gespielt worden. Denn das Ganze war ja nichts Unübliches. Es ist gut, dass endlich mal darüber gesprochen wird, dass bei Bauvorhaben seit langem in nicht unerheblichem Umfang geschmiert wird - und das weltweit und zum Teil erheblich schlimmer, als das jetzt in München der Fall war. Aber wirklich neu ist das nicht. Nur die Aufmerksamkeit der Medien ist größer geworden. Trotzdem ändert sich nichts. Elshorst: Bleiben wir doch bei Herrn Gerster und der Vergabe von Gutachten ohne Ausschreibung. Nachdem das bekannt geworden ist, wird das natürlich nicht mehr so gemacht werden. Nach diesem Skandal müsste jemand schon ziemlich lebensmüde sein, wenn er so weiter machen würde. Man gewinnt aber schon den Eindruck, dass Korruption zum "guten Ton" gehört und so lange es nicht raus kommt, juckt es auch niemanden.Elshorst: Korruption ist schon ein häufiges Delikt. Man kann aber nicht sagen, dass alle so handeln. Deswegen sind die ehrlichen Firmen, die sich nicht an Korruption beteiligt, auch schutzbedürftig. Aber wo fängt denn eigentlich Korruption an? Beispiel: Kölner Müllskandal. Seine Ursprünge hat er im berühmt berüchtigten Kölner Klüngel, der im Grunde ja nicht kriminell ist.Elshorst: Das Gesetz verbietet ganz klar die Formen, in denen sich der Klüngel vollzieht: Einladungen zum Essen oder Sportveranstaltungen. Früher war das alles üblich, da hat sich kein Mensch darum gekümmert. Heute drücken die Staatsanwälte da kaum mehr ein Auge zu. Aus dem Klüngel entstehen halt Abhängigkeiten, Betroffene werden erpressbar. Klüngel gibt es ja nicht nur in Köln. Wie wollen Sie denn diesem Treiben ein Ende setzen? Elshorst: Durch Transparenz. Wenn sich jemand aus der Verwaltung mit Firmen trifft, ist ja noch nichts Schlechtes. Das darf aber nicht vertraulich sein. Das muss öffentlich gemacht werden. Der Beamte darf nicht erpressbar werden. Im Zweifel muss er sein Essen selbst bezahlen. Wie soll einem kleinen Beamten klar gemacht werden, dass er sich strafbar macht, wenn er Geschenke annimmt, während in den oberen Etagen die Millionen von einer Hand in die andere wandern?Elshorst: Das kann man nicht. Aber es ist schon festzustellen, dass die kleinen Beamten und auch die Chefs heute viel vorsichtiger sind, weil sie wissen, wie rabiat die Konsequenzen sein können. Die verlieren unter Umständen ihren Beamtenstatus oder ihre Pensionsansprüche. Wie hoch schätzen Sie den Schaden, der durch Korruption in Deutschland entsteht?Elshorst: Die Schätzungen gehen auseinander. Die einen sagen zweieinhalb, die anderen fünf bis sieben Milliarden Euro. Es ist sehr schwierig, dazu konkrete Angaben zu machen. Die Dunkelziffer ist sehr hoch. Wie sieht denn eine effektive Korruptionsbekämpfung aus? Elshorst: Die Politik muss Gesetze machen. Wir brauchen endlich das bereits Ende der vergangenen Legislaturperiode fast entschiedene Zentralregister korrupter Firmen. In Deutschland können Unternehmen nämlich immer noch relativ unbeschwert schmieren, weil ihre Mitarbeiter und nicht die Firma zur Rechenschaft gezogen werden. Gäbe es ein solches Zentralregister wäre das abschreckend. Gesetze sind das Eine, ihr Einhalten das Andere. Gibt es überhaupt genügend Personal in der Strafverfolgung um dem Problem Korruption Herr zu werden? Elshorst : Nein. Es gibt eindeutig zu wenig Staatsanwälte, die auch noch entsprechend spezialisiert sind. Da muss die Politik handeln. Das muss aber doch für Sie und Ihre Organisation ziemlich frustrierend sein. Denn mehr als den Finger in die Wunde legen, können Sie ja auch nicht. Elshorst: Das sehe nicht so. Im internationalen Bereich haben wir einiges erreicht. Das Risiko für korrupte Unternehmen ist erheblich größer geworden. Unser Erfolg ist auch, dass jetzt über Korruption geredet wird. Das Gespräch führte TV-Redakteur Bernd Wientjes

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort