Demokratie am Sudkessel

BITBURG. Neue Mitarbeiter, neue Schwerpunkte, neue Strategie: Unternehmen sind permanentem Wandel unterzogen. Der Bitburger Brauerei kommt es darauf an, auch bei rund 1000 Mitarbeitern noch auf Kommunikation und Austausch zu achten.

Unter den Unternehmen in der Region ist die Bitburger Brauerei ein großer Tanker mit einer rund 1000-köpfigen, überwiegend männlichen (82 Prozent), Besatzung. Eine Mannschaft, die auf den ersten Blick schwer zu steuern scheint. Doch mit ihrer 1995 verabschiedeten Unternehmensphilosophie haben die Chefs schon vor gut zehn Jahren Maßstäbe für die Personalarbeit gesetzt: Führungen sollen Vorbild sein - in der Effizienz ihrer Arbeit, in der Sparsamkeit mit Ressourcen und in der Zusammenarbeit mit den Beschäftigten, heißt es da. Die Arbeit der Mitarbeiter soll gewürdigt, die Aufgaben des Einzelnen respektiert und Identifikation geschaffen werden. Anspruch an Führungskräfte steigt

Letzteres ist das, womit das Unternehmen keine Probleme hat. "Das Produkt Bier sorgt per se für Identifikation, es wird gern getrunken", sagt Siegfried Miska, seit 1984 Personalleiter der Bitburger Brauerei. Das schaffe Vertrautheit. "Das Wir-Gefühl ist trotz unserer Größe noch da. Und obwohl wir ein Konzern sind, tun wir uns alle mit dem Begriff schwer", sagt er. Mit der Größe des Unternehmens ist auch der Anspruch an die Führungskräfte gestiegen: "Personalführung nimmt an Bedeutung zu, aber es ist auch wichtig geworden, Mitarbeiter so früh wie möglich einzubinden", sagt Miska und verweist auf die Übernahme der Bitburger-Töchter Licher und König Pilsener vor zwei Jahren. Betriebsratsvorsitzender Wolfgang Lorse sagt: "Früher wurde das Personal nur verwaltet, heute wird in ihm die Zukunft gesehen." Mitarbeiter wollten überzeugt werden. Inzwischen gibt es gemeinsame Arbeitsgruppen zwischen Bitburg und Lich, Bitburg und Duisburg oder Bitburg und Bad Köstritz, aber auch zwischen Vertrieb, Marketing und Technik - was Freizeitaktivitäten miteinschließt. Und auch die Tatsache, dass der Gesamtkonzern rund 200 von 2000 Stellen in den kommenden Jahren streichen will und auch Kündigungen ausspricht, soll der Faktor Mitarbeiter weiter im Mittelpunkt stehen. "Wir wollen uns für die Zukunft aufstellen und brauchen dafür die richtigen Leute", sagt Personalleiter Miska. Deshalb werde an der Führungskräfte-Schulung genauso festgehalten wie an der Höhe des Weiterbildungsetats: "Wir verlieren den Menschen nicht aus dem Auge." Mehr als sonst schon führt Wolfgang Lorse derzeit Gespräche mit der Unternehmensleitung, zumal er als Konzernbetriebsrat auch für die anderen Standorte zuständig ist. Er will sich in die Umstrukturierung einbringen und Vermittlungsarbeit leisten. "Natürlich ist die Stimmung beeinträchtigt. Aber man hat in der Betriebsversammlung nicht mit Informationen und Zahlen gegeizt, ist offensiv und verhandlungsbereit", sagt Lorse und bricht für die Beschäftigten eine Lanze: "Wir wissen, dass gute Mitarbeiter den Erfolg garantieren und nicht austauschbar sind." Er ist überzeugt: "Man weiß, was man an der Belegschaft hat, aber das ist schwer zu vermitteln, wenn man Leute entlassen muss." Dass man auf die Meinung und Motivation der Mitarbeiter angewiesen ist, zeigen bisherige Befragungen, in denen die Mitarbeiter die Chefetage schon mal für zu wenig Nähe kritisiert haben: "Der Kapitän muss auch mal in den Maschinenraum kommen", hieß es da. Man gehe den Dingen nach, verspricht Miska: "Wir versuchen, die Leute zusammenzuführen und schulen die Führungskräfte, damit bis zum Arbeiter am Fließband ankommt: Du bist wichtig für den Erfolg." Feedback-Gespräche, Zielvereinbarungen und Leistungs-Vergütung: Auch bei Bitburger haben sich viele schwer getan mit neuen Führungsinstrumenten. "Anfangs waren die Gespräche auch nicht so offen", gesteht Siegfried Miska. Man setze auf eine gesunde Mischung zwischen Personalberatung von außen und Verbesserungsvorschlägen von Mitarbeitern. Eine Entwicklung, die vor 20 Jahren kaum vorstellbar gewesen wäre. Damals seien Entscheidungen ausschließlich von den Familien Simon getroffen worden, sagt Miska: "Erst mit dem Geschäftsführer Tomasz Niewodniczanski ist der Freiraum für die Mitarbeiter gewachsen, sich zu entfalten." Investitionen in die Belegschaft

Niewodniczanski hat vor 15 Jahren die Personalentwicklung mit aufgebaut, heute ist daraus eine eigene Abteilung geworden. Dort wird das eigene Programm für Führungskräfte entwickelt, Weiterbildungen sowie Gruppentrainings organisiert und die 52 Azubis betreut. Innerhalb von 30 Jahren sind über 500 junge Leute ausgebildet und ein Drittel von ihnen von der Brauerei übernommen worden. Im Schnitt sind die Bitburger-Leute 14 Jahre im Betrieb, das Durchschnittsalter beträgt 42 Jahre. Und trotz der derzeitigen Umstrukturierung wird dem Betrieb nachgesagt, einen guten Ruf als Arbeitgeber in der Region zu haben. Eines halten Miska und Lorse in diesem Zusammenhang jedoch übereinstimmend fest: "Das Haus hatte immer Geld, viel in die Belegschaft und den Zusammenhalt zu investieren." Wichtig sei allerdings auch, dass das Geld an der richtigen Stelle eingesetzt werde, um die Strategie umzusetzen und die Motivation zu steigern, sagt Betriebsratschef Lorse: "Das schließt auch ein, in schlechten Zeiten mehr geben zu können als man sonst bereit wäre." Weshalb man trotz der jetzigen Entlassungen auch nicht auf Weihnachtsgeld oder Betriebsrente für die übrigen Mitarbeiter verzichten will.

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