Den Bierdeckel eingemottet

BERLIN. Lange erwartet - und letztlich auch lange bekannt: Die Union präsentiert am Wochenende ihr Steuerkonzept.

Zu ungewöhnlicher Zeit, nämlich am Sonntag um 16 Uhr, treffen sich die Präsidien von CDU und CSU im Berliner Konrad-Adenauer-Haus zu einer mehrstündigen Diskussion. Im Mittelpunkt der Veranstaltung sollte eigentlich das gemeinsame Steuerkonzept der Schwesterparteien stehen. Aber das unwürdige Gezerre um die Präsidentschaftskandidatur provoziert immer noch so viel Gesprächsbedarf, dass die Tagesordnung kurzerhand geändert wurde. Die Reformdebatte ist erst am Abend dran. Der Aha-Effekt hätte sich aber ohnehin in Grenzen gehalten. Schließlich sickerte schon vor Tagen durch, dass beide Parteien ihre unterschiedlichen fiskalischen Vorstellungen in einen Kompromiss gegossen haben, der offenbar weder Fisch noch Fleisch ist. Anfang Januar war die Aufregung noch groß. Damals machte CSU-Chef Edmund Stoiber offen Front gegen den Steuerplan der Christdemokraten. Das CDU-Konzept des Finanzexperten Friedrich Merz - immerhin ein Parteitagsbeschluss - soll den progressiven Steuertarif durch eine Stufenlösung ersetzen. Je nach Einkommenshöhe gelten nur noch Sätze von zwölf, 24 und 36 Prozent. Zur Gegenfinanzierung war eine nicht näher definierte Streichung von Vergünstigungen vorgesehen, wie sie zum Beispiel die Pendlerpauschale darstellt. Genau das ging der CSU gegen den Strich. Zur Vermeidung all zu hoher Steuerausfälle wollten die Christsozialen die progressive Besteuerung beibehalten, aber den Eingangs- und Spitzensteuersatz auf 13 beziehungsweise 39 Prozent senken. Gegenwärtig liegen die Sätze zwischen 16 und 45 Prozent. Nun wurden beide Vorstellungen zu einem Konstrukt vermengt, das die radikalen Ansätze zur Steuervereinfachung erst einmal vergessen macht. Zeitungsberichten zu Folge einigten sich Bayerns Finanzminister Kurt Faltlhauser (CSU) und Friedrich Merz darauf, den Stufentarif einstweilen zu verschieben. In einer "ersten Phase" soll das CSU-Modell Bestand haben, wobei der Spitzensteuersatz von 36 Prozent aus dem Merz-Modell übernommen wird. Auch der Streit über die Streichung von Ausnahmetatbeständen löst sich in Wohlgefallen auf. So soll etwa die Pendlerpauschale nicht komplett gestrichen, sondern modifiziert werden. Statt einer Vergütung pro Kilometer würden je nach Entfernung vom Arbeitsplatz nur noch bestimmte Pauschalen im Steuerrecht berücksichtigt. In der SPD rüstet man sich bereits zum Abwehrkampf. Die "Bierdeckel-Steuererklärung" sei nur eine Täuschung gewesen, befand Finanzexperte Joachim Poß. Sein Fachkollege Merz hatte damit geworben, die Berechnung der individuellen Steuerschuld auf einem Bierdeckel unterzubringen. In einem Argumentationspapier, das Poß an alle Mitglieder der SPD-Fraktion verschickte, wird auf die jüngste Sitzung der Finanzministerkonferenz der Länder verwiesen. Sie hatte die enormen Einnahmeausfälle aller aktuellen Reformansätze beklagt. Das gemeinsame Modell der Union kostet die öffentliche Hand zehn Milliarden Euro. Solche Mindereinnahmen seien für Bund, Länder und Kommunen nicht verkraftbar, schreibt Poß. Außerdem wird in dem unserer Zeitung vorliegenden Papier an das Kopfpauschalen-Modell für die Krankenversicherung erinnert, das die Union ebenfalls beschlossen hat. Für dessen Finanzierung sind sogar zusätzliche Steuermilliarden erforderlich.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort