Den Blick nach vorn

Mit seiner Forderung an die Weltgemeinschaft, einen "solidarischen Wiederaufbau" des Irak zu gewährleisten, hat der Papst über das Osterwochenende einen bedeutsamen Akzent gesetzt. Er richtet mit seiner Aussage den Blick nach vorn - und mahnt damit indirekt auch an, nicht mehr die Schlachten von gestern zu schlagen, sondern die durch die weltweit heftige Debatte um Sinn und Legitimität des Krieges entstandenen Gräben zuzuschütten.

Dies macht Sinn, denn der Wiederaufbau des Irak ist eine herkuleanische Aufgabe, an deren Gelingen nicht nur den USA, sondern auch jenen Europäern gelegen sein muss, die den Waffengang strikt abgelehnt haben. Nun zu hoffen, dass die Demokratisierung misslingt und damit am Ende die Politik des Weißen Hauses als gescheitert angesehen werden muss, wäre der falsche Ansatz: Dauerhafte Bürgerkriege im Irak wären der beste Garant für eine fortdauernde Instabilität in der gesamten Region und würden den Irak zu einem Sammelbecken extremistischer Gruppen machen. Wenn also die "Koalition der Willigen" in den nächsten Tagen offiziell das Kriegsende ausruft, sollte dies auch für die Kriegsgegner ein Anlass zur Besinnung sein - und zu einem ernsthaften Versuch, die aufgerissenen Wunden zu heilen. Dazu gehört auch ein Verzicht auf die sich bereits abzeichnende neuerliche und völlig überflüssige Kraftprobe innerhalb der Vereinten Nationen. Wenn sich plötzlich Staaten wie Russland und Frankreich gegen eine von Washington angestrebte rasche Aufhebung der UN-Sanktionen wehren, nachdem sie in den letzten Jahren stets deren Beseitigung angestrebt haben, so ist dies eine verhängnisvolle Reaktion auf die ebenso fatale Absicht der USA, den Wiederaufbau weitgehend in die Hände amerikanischer Unternehmen zu legen. Allen Seiten ist nun die notwendige Einsicht zu wünschen, dass nun über den eigenen Schatten gesprungen werden muss. Von den Faktenlage her sollte dies nicht so schwer fallen: Für einen Fortbestand der Sanktionen wie auch der Abrüstungs-Resolutionen gibt es keinerlei logische Grundlage mehr, da sie an ein heute nicht mehr existierendes Regime adressiert waren. Und in den USA hat man mittlerweile erkannt, dass sowohl die Rekonstruktion der irakischen Infrastruktur wie auch die Garantierung der Sicherheit Aufgaben sein werden, bei denen man am Ende wohl auf Hilfe von außen angewiesen sein dürfte. Dies bietet auch den Europäern die Chance zum Brückenschlag - vorausgesetzt, man will tatsächlich eine bessere Zukunft für das irakische Volk und nicht den nachträglichen bitteren Triumph gegenüber Washington, es besser gewusst zu haben. nachrichten.red@volksfreund.de

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