Den Griechen läuft die Zeit davon

Noch ist Zeit: In 18 Tagen läuft das europäische Hilfsprogramm für Griechenland aus. Wie es danach weitergehen soll, ist noch nicht klar. Die Euro-Finanzminister treffen sich heute zu einer Sondersitzung.

Brüssel. Der Countdown läuft: In 18 Tagen läuft das zweite Hilfsprogramm für Griechenland aus, und niemand kann genau abschätzen, was an den Finanzmärkten passiert, falls die neue Athener Regierung dann kein neues Geld bekommen sollte. Sie schließt eine Verlängerung, die mit weiterer Reformüberwachung durch die verhasste "Troika" einherginge, bisher kategorisch aus. Die Euro-Finanzminister, die wiederum auf der Einhaltung früherer Vereinbarungen bestehen, kommen heute zu einer Sondersitzung in Brüssel zusammen.
Die Erwartungen an das Treffen sind jedoch gering. Nach dem emotionalen Auf und Ab in den ersten zweieinhalb Amtswochen von Ministerpräsident Alexis Tsipras standen die Zeichen zuletzt wieder auf Konfrontation. So verliefen die Vorbereitungsgespräche der Experten in Brüssel und Athen der Sprecherin von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker zufolge "nicht sehr fruchtbar".
Treffen ohne Tagesordnung



Sie dementierte ausdrücklich die Existenz eines vorbereiteten Zehn-Punkte-Plans, über den zuvor mit Verweis auf Quellen in Athen berichtet worden war. "Das ist wahrscheinlich einer der Tricks von Finanzminister Giannis Varoufakis", hieß es auch aus Kreisen der Euro-Gruppe, "wir haben das Problem, dass bisher überhaupt nichts Handfestes auf dem Tisch liegt." Die Tagesordnung der Sitzung soll dann am Nachmittag in einem Vortreffen der Staatssekretäre festgezurrt werden. "Über irgendetwas müssen die Minister ja reden", sagt ein EU-Diplomat leicht genervt: "Bisher ist das ein Treffen ohne Tagesordnung."
Ein Regierungsvertreter Belgiens spricht "von ziemlich schlechter Stimmung in Brüssel". Über Varoufakis\' Verhandlungstaktiken, über die zuletzt viel zu lesen war, macht man sich in Brüssel keine großen Gedanken. "Die Spieltheorie spielt keine Rolle", sagt einer, der mit den Gesprächen vertraut ist, "in der Praxis sind das gefährliche Amateure." Denn aus Sicht vieler EuroPartner riskiert die neue Regierung neue finanzielle Instabilität in Europa: "Bei dem Treffen wird den Griechen klargemacht werden müssen, dass die Zeit abläuft", sagt ein weiterer Diplomat aus einem großen Mitgliedsland, "denn es sind ja nicht nur die Regierungen, die ihre ersten Ideen skeptisch sehen - die Märkte reagieren ja schon."
Neben den steigenden Risikozuschlägen für griechische Staatsanleihen gilt auch die Gefahr eines Bank-Runs als real. Mit seiner harten Haltung steht Deutschland vor der Sitzung keineswegs alleine.
Der Vertreter Belgiens sieht vielmehr eine einheitliche Front gegen Griechenland: "Die regierenden Sozialisten in Frankreich und Italien mögen Tsipras etwas wohlwollender empfangen haben, aber sie wissen, dass es sie ebenso zerlegen könnte wie ihre Pasok-Parteifreunde in Griechenland, wenn er mit diesen Erfolg in Europa hat."
Keine Vorzugsbehandlung



Und Länder wie Irland, Portugal und Spanien, die ebenfalls harte Bedingungen im Gegenzug für Milliardenhilfen erfüllen mussten, hätten ohnehin kein Interesse daran, "dass Griechenland eine Vorzugsbehandlung erhält", so der Diplomat. Schon jetzt belaufe sich der Schuldendienst in Spanien auf 4,5 Prozent der Wirtschaftsleistung, während es in Griechenland zwei Prozent seien. Und so rechnet ein hochrangiger Vertreter der EuroZone damit, dass erst nach dem Donnerstag wirklich ernsthaft verhandelt werden kann - falls sich die Staats- und Regierungschefs beim Gipfel über gewisse Grundprinzipien wenigstens einer Interimslösung einig werden sollten.
Am Montag darauf steht dann eine weitere Sitzung der Euro-Finanzminister an. Da beide Seiten weitreichende inhaltliche Zugeständnisse kategorisch ausgeschlossen haben, könnte der Symbolik bei der Konsenssuche eine große Rolle zukommen. So ist beispielsweise bereits darüber geredet worden, die Troika von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds nicht mehr auf Sachbearbeiterebene nach Athen fahren zu lassen.Extra

Die Bundesregierung bleibt hart und hat eine von Athen erneut ins Spiel gebrachte Rückzahlung eines griechischen Zwangskredits an Nazi-Deutschland von 1942 abgelehnt. Das Bundesfinanzministerium hält diese Zwangsanleihe über 476 Millionen Reichsmark der griechischen Zentralbank an Nazi-Deutschland im Rahmen des Reparationsvertrages von 1960 für abgegolten, berichtet die Bild-Zeitung aus einer Antwort der Regierung auf eine Anfrage der Linken im Bundestag. Eine Nachverhandlung stünde daher nicht zur Diskussion.dpaExtra

Zwei Wochen nach seinem Wahlsieg stellte sich der griechische Regierungschef Alexis Tsipras einer Vertrauensabstimmung des Parlaments in Athen. Die Abstimmung über die linksgeführte Regierung sollte am späten Dienstagabend beginnen. Das regierende Bündnis aus der Linkspartei Syriza und der kleinen Partei der Unabhängigen Griechen AN.EL. hat eine komfortable Mehrheit von 162 Abgeordneten im Parlament mit 300 Sitzen. Das Ergebnis des Votums lag bis Redaktionsschluss noch nicht vor. dpa

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort