"Der Bundespräsident ist kein Automat"

BERLIN. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble hat Verständnis für die Kritik von Bundespräsident Horst Köhler an der Gesetzes-Arbeit der Bundesregierung geäußert. "Der Bundespräsident ist kein Unterschriften-Automat", meinte der CDU-Politiker im Gespräch mit unserer Zeitung.

Herr Schäuble, ist die große Koalition ängstlich? Schäuble: Überhaupt nicht. Wir haben eine Menge richtiger Entscheidungen zu Stande gebracht. Dazu mussten wir manchmal intensiv diskutieren, was daran liegt, dass SPD und Union Konkurrenten waren und sich keine andere Koalition aussuchen konnten. Insofern ist das öffentliche Urteil über unsere Arbeit kritischer ausgefallen, als es ihr bei nüchterner Betrachtung gerecht wird. Nur zwei Beispiele: Wir haben eine robuste wirtschaftliche Entwicklung, und zu unserer eigenen Überraschung erfüllt Deutschland schon 2006 das Schulden-Kriterium von Maastricht. Das kann sich doch sehen lassen.

Bundespräsident Horst Köhler meinte aber, es gebe zu viel Angst vor Zumutungen.

Schäuble: Ich glaube nicht, dass der Bundespräsident damit konkret die Regierung gemeint hat. Er spricht über die Lage des Landes und die Gesellschaft. Und da ist es eben so, dass der Widerstand gegen Veränderungen groß ist. Horst Köhler hat schon in seiner Antrittsrede vor zwei Jahren gesagt, er wolle zu Reformen ermutigen und darauf drängen. In diesem Sinne ist er auch ein unbequemer Präsident. Doch das ist notwendig, und dafür sind wir dankbar.

Als Innenminister sind Sie gewissermaßen oberster Hüter des Grundgesetzes im Kabinett. Besorgt es Sie, dass Köhler innerhalb kurzer Zeit zwei Gesetze für verfassungswidrig erklärt hat?Schäuble: Der Bundespräsident ist kein Unterschriften-Automat. Es ist auch nicht neu in der Geschichte der Bundesrepublik, dass ein Staatsoberhaupt sagt, dieses oder jenes Gesetz kann ich nach meiner Überzeugung nicht ausfertigen.

Die Einmischung des Bundespräsidenten in die aktuelle Tagespolitik stößt auch auf Kritik in ihrer Partei. Wie denken Sie darüber?

Schäuble: Wenn der Bundespräsident zu aktuell-politischen Fragen Stellung nimmt, was sein gutes Recht ist, dann ist es auch erlaubt, an seiner Stellungnahme Kritik zu üben. Unsere demokratische Grundordnung beruht doch gerade auf Vielfalt und Meinungsfreiheit.

Beim Nichtraucherschutz ist die schwarz-rote Bilanz eher dürftig. Die Erkenntnis, dass eine Neuregelung vornehmlich Sache der Länder ist, kam sehr spät. Wird der Föderalismus im Land da nicht etwas übertrieben?

Schäuble: Ich halte die Entscheidung in der Föderalismusreform für richtig, das Gaststättenrecht durch die Länder zu regeln. Gerade hier könnten unterschiedliche Mentalitäten in den Regionen Berücksichtigung finden.

Das Ergebnis wird wie schon beim Ladenschluss ein Flickenteppich unterschiedlichster Regelungen sein... Ja, das ist gelebter Föderalismus. Das entspricht unserer Vielfalt. Viele sagen, das muss einheitlich geregelt werden. Doch dann reicht eine nationale Regelung nicht aus. Mein Wahlkreis liegt an der Stadtgrenze zu Straßburg. Dort, in Frankreich, könnte dann in Kneipen geraucht werden und bei uns vielleicht nicht. Also müsste man es europäisch regeln. Spätestens dann werden die Gegner eines Flickenteppichs aber sagen, wir lassen uns doch nicht von Frankreich oder Polen unsere Gesetze für Gaststätten vorschreiben.

Schäuble:

Während die Bürger auf eine Rente mit 67 eingestimmt werden, können Bundesminister unter bestimmten Bedingungen schon mit 55 in den Ruhestand gehen. Wird sich daran etwas ändern?

Schäuble: Im Kabinett besteht Einigkeit, dass sich die Altersgrenzen für Minister-Pensionen am künftigen Rentenrecht orientieren müssen. Sie müssen also angehoben werden. Im Bundestag gibt es ähnliche Überlegungen für die Versorgungsbezüge der Abgeordneten.

Der ehemalige Finanzminister Hans Eichel klagt vor Gericht, um seine Pensionsansprüche aus verschiedenen öffentlichen Ämtern klären zu lassen. Braucht es auch hier eine einheitliche Neuregelung?

Schäuble: Es gibt in der Tat hoch komplizierte Anrechnungsregelungen, um Pensionsansprüche aus kommunalen, Landes- und Bundesämtern in der Summe zu ermitteln. Deshalb tut Hans Eichel gut daran, das juristisch klären zu lassen. Wir versuchen, auch hier eine klare Regelung zu finden. Aber das wird schwierig, weil schon die Kommunalverfassungen äußerst vielfältig sind.

Herr Schäuble, was wünschen Sie sich für 2007?

Schäuble: Für unser Land, dass wir von großen Bedrohungen verschont bleiben und in einem toleranten Miteinander Veränderungen ertragen. Und für meine Familie, dass sie gesund und glücklich bleibt.

Mit Wolfgang Schäuble sprach TV-Korrespondent Stefan Vetter.

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