Der ehrliche Junge mit der Gitarre

KÖLN. Ohne große Effekte, nur mit seiner Stimme, seiner Gitarre und einer hervorragenden Band hat es Bryan Adams wieder einmal geschafft, die Fans in der Kölnarena in Ekstase zu versetzen.

Ein schwarzes T-Shirt, eine Jeans - ganz der einfache Junge von Nebenan. Bryan Adams hat es verstanden, über 25 Jahre ehrliche Arbeit abzuliefern. Nur dass der Junge mittlerweile 46 Jahre alt ist und der von ihm besungene "Summer of 69", die "besten Tage seines Lebens", auch schon eine Generation auf dem Buckel hat. Aber gerade das lieben seine (mit ihm älter gewordenen) Fans, die Reminiszenzen, die Gefühle, das Zurückerinnern, das Abtanzen auf alt bekannte Melodien. Über 12 000 Zuschauer feierten mit dem Kanadier, dem es zum Abschluss seiner Deutschland-Tournee immer wieder - und erneut äußerst authentisch - gelingt, die Fans in seine Show zu integrieren. Die junge Dame, die er zu sich bestellt, um mit ihm zu singen (obwohl sie leugnet, dass sie es kann), darf noch ihren Freund Sven grüßen und mit dem Rockstar auf der Bühne abgelichtet werden. Auch alle anderen Kameras, die ihm entgegenstreckt werden, wimmelt Adams nicht ab. Er liebt die Nähe zu den Zuschauern, er gibt alles - und wie seine markante Stimme angesichts der Intensität und der Lautstärke die mehrwöchige Europa-Tour (und den Rest der Karriere) bislang unbeschadet überstanden hat, bleibt vielen ein Rätsel. Bryan Adams verstellt sich nicht - das hat er angesichts seiner Millionen verkaufter Tonträger, der unzähligen Preise und der 25 Jahre auf allen Bühnen dieser Welt auch nicht nötig. "Room Service" heißt zwar sein aktuelles Album, aus dem Adams gerade Mal drei Titel spielt. Doch das über zweistündige Programm widmet sich viel mehr allen Klassikern, angefangen von den Mitsing-Hits des Albums "Reckless", mit dem der Kanadier 1984 den weltweiten Durchbruch schaffte: "Run to you", "Somebody", die stimmungsvoll und emotional dargebotene Ballade "Heaven" oder als eine von fünf Zugaben "Summer of 69", den die komplette Kölnarena mitgröhlt. Bryan Adams kommt ohne großen Firlefanz, ohne viel Effekte aus: Keine Pyrotechnik wie bei Rammstein, keine Lightshow wie bei den Stones, keine Kostümwechsel wie bei Madonna - der Rocker lässt einzig die Musik sprechen. Eine Gitarre, eine Stimme, ein Standmikro, eine bestens aufgelegte Band. Das reicht, um zu begeistern. Und am Ende verzichtet Bryan Adams sogar ganz auf musikalische Unterstützung, die letzten drei Stücke gibt es Unplugged. Nur eine akustische Gitarre und seine Stimme, die die Frauenherzen in den ersten Reihen sichtlich dahin schmelzen lässt. Wild und weich - das lieben die Zuschauer

Höhepunkte neben "Summer of 69" waren die Filmmusik "Everything I do" oder sein erster Single-Erfolg "Cuts like a knife" aus dem Jahre 1983. Die Fans sind mit Bryan Adams älter geworden - und der Sohn englischer Einwanderer macht nicht den körperlichen oder stimmlichen Eindruck, als ob er bald von der Bildfläche verschwinden würde. Er rockt wie wild über die Bühne, harmoniert prächtig vor allem mit Gitarrist Keith Scott. Da fliegen die Finger bei den eingängigen Akkorden, da teilen sich Adams und Scott Rhythmus und Soli mit wahrer Spielfreude. Und während die Kölnarena in aller Eile wieder zu einer Eishockey-Arena umgebaut wird, genießt Bryan Adams seinen "Roomservice" im Hotel. Wohl wissend, dass die Fans wieder kommen werden, wenn er wieder - höchstwahrscheinlich mit einem nur marginal anderen Programm - in Deutschland auftreten wird. Ehrlich währt eben am längsten.

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