Der Einzelkämpfer aus der Eifel

Die CDU-Landtagsfraktion hat durch eine Vereinbarung mit dem unter Beschuss geratenen Abgeordneten Michael Billen eine lange juristische Ausein-andersetzung vermieden. Aber es bleiben Fragen, die für Diskussionen sorgen werden.

Mainz. Michael Billen erzählt gerne Geschichten von Keilern und Hirschen. Häufig genügt dem passionierten Jäger ein einziger Schuss, um seine Beute zu erlegen. An diesem Tag sind die Flinten zunächst auf ihn gerichtet. Sechs Wochen lang hat Billen dem massiven Druck von außen und aus den eigenen Reihen getrotzt, war krank, hat geschwiegen und nur einmal kurz bekräftigt, dass er sein Landtagsmandat behalten will.

Am Ende des langen und denkwürdigen Tages gestern in Mainz hat der unbeugsame Eifeler zwar selbst im Visier gestanden - aber er lebt politisch noch.

Bereits eine Woche früher als geplant tritt die CDU-Landtagsfraktion um 10 Uhr zur ersten Sitzung des Jahres zusammen. "Warten wir es mal ab", zeigt sich Billen, der mindestens zehn Kilo abgenommen hat, gelassen. Er will der Fraktion erstmals nach der Polizei-Daten-Affäre Rede und Antwort stehen. Ende November hat er mit tränenerstickter Stimme zugegeben, dass seine Tochter in ihrer Dienststelle Landau die Polizei-Computer nach Nürburgring-Geschäftspartnern abgefragt und er die ausgedruckten Dokumente an sich genommen hat. Seitdem stand er unter Dauerfeuer. Der CDU-Fraktionsvorstand, diverse Parteigremien, die SPD und die Grünen forderten seinen Rücktritt. Bekommen werden sie ihn nicht. Billen wird sein Mandat weiter ausüben und an Landtagssitzungen teilnehmen.

Dennoch muss der Landwirt kräftig Federn lassen. Als sich die Diskussion nach vier Stunden im Kreise dreht, öffnen sich die Türen, und Billen verschwindet mit dem Fraktionsvorstand zu einem Gespräch. Dann taucht er wieder auf, während Chef Baldauf und seine Mitstreiter noch weitere 15 Minuten brauchen. Das Ergebnis ist ein Kompromiss, bei dem beide Seiten glauben, ihr Gesicht wahren zu können: Billen verzichtet auf seine Ämter als Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses und als Mitglied des Landwirtschaftsausschusses. Ferner wird er als Einzelkämpfer im Landtag auftreten. Denn seine Mitgliedschaft in der CDU-Fraktion lässt er vorerst ruhen. Bei den Plenarsitzungen wird er allerdings in ihren Reihen Platz nehmen.

Eine Regelung dieser Art gibt es im strengen juristischen Sinne nicht. Folglich scheiden sich an dieser Stelle die Geister. "Ich lasse die Mitgliedschaft im Moment ruhen", sagt Billen. "Sie ruht unbefristet", sagt Parteichef Baldauf. "Ich bleibe CDU-Mitglied und kämpfe weiter für den Sieg bei der Landtagswahl 2011", sagt Billen. "Er arbeitet nicht mehr mit uns", sagt Baldauf. "Ich kann in jedem Ausschuss als Zuhörer diskutieren und weiterhin Kleine Anfragen stellen", sagt Billen. "Wir können besser ohne ihn auskommen", sagt Baldauf.

Wenn sich der Pulverdampf im Machtkampf der Union verzogen hat, wird man vielleicht klarer sehen. Sollte Michael Billen in die CDU-Fraktion zurückkehren wollen, gibt es offenbar keinen Hinderungsgrund. Allerdings bleibt weiterhin die Möglichkeit, seinen Ausschluss aus der Fraktion zu betreiben. Dabei lauern juristische Fallstricke, denn Billen hat jederzeit die Chance, beim Verfassungsgericht den Posten wieder einzuklagen. Die Reaktionen fallen entsprechend zwiespältig aus. Das Ganze sei "ein fauler Kompromiss", Baldauf sei es "nicht gelungen, für die notwendige politische Hygiene in seiner Fraktion zu sorgen", kommentiert die SPD. Die FDP folgert, es sei "endlich sichergestellt, dass die Aufklärungsarbeit in Sachen Nürburgring nun wieder völlig unbelastet im Parlament vorangetrieben werden kann". Von den außerparlamentarischen Grünen heißt es: "Mutlos, unverantwortlich und unglaubwürdig." Für CDU-Chef Baldauf sei "das Ergebnis ein Offenbarungseid seiner politischen Schwäche". Auf Dauer sei dieser Zustand weder für Billen noch für die CDU haltbar.

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