Der Frust der Genossen

Als "Kraft der Erneuerung" plakatiert sich die SPD gern bei offiziellen Terminen. Aber neben Angela Merkel sieht die Partei in diesen Tagen ziemlich alt aus. Damit wäre schon ein Teil der sozialdemokratischen Aufregung hinreichend beschrieben. Denn obwohl die Umfragezahlen der Union auch nicht gerade in den Himmel wachsen, können die Christdemokraten zumindest vom Kanzlerinnenbonus zehren.

Die SPD indes verzehrt sich nach eigenen Erfolgen. Doch gerade weil die Union die strahlende Kanzlerin stellt, herrscht dort offenbar auch der Eindruck vor, dass man auf den Koalitionspartner wenig Rücksicht nehmen müsse.

Das Paradebeispiel ist der Mindestlohn, wo die Koalition dank der Hartleibigkeit in den C-Parteien schon seit Monaten auf der Stelle tritt. Auch eine durchgreifende Pflegereform droht am Beharrungsvermögen der Union zu scheitern. Hier kommt noch erschwerend hinzu, dass der von einer persönlichen Affäre gebeutelte Unterhändler der CSU, Horst Seehofer, um den Parteivorsitz kämpft. Ob er wirklich Prokura hat? In der SPD geht jedenfalls die Sorge um, die für Ende Juni avisierten Reform-Eckpunkte könnten nicht das Papier wert sein, auf dem sie geschrieben stehen. Unter dem Strich ist die Nervosität der Genossen also nachvollziehbar. Nur müssen sie dabei aufpassen, dass sie den Bogen nicht überspannen. Wenn Kurt Beck die Union in einem sperrigen Zeitungsbeitrag als Hort des Neoliberalismus brandmarkt, dann wirkt das ziemlich merkwürdig. Viele Unionsgänger beklagen gerade eine wachsende Sozialdemokratisierung ihrer Partei. Und hätte Beck wirklich Recht, dann müsste er im Interesse sozialpolitischer Glaubwürdigkeit die Koalition aufkündigen. Doch davor wird er sich hüten - bei ihren schlechten Sympathiewerten dürfte die SPD noch tiefer in den Keller rauschen.

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