Der gläserne Mensch rückt näher

Viele Menschen werden in der Öffentlichkeit von Videokameras gefilmt, ohne es zu ahnen. In Supermärkten, Restaurants, Schulen, Arztpraxen, Bussen oder Zügen sind häufig Geräte installiert, die nicht zu erkennen sind.

Mainz. Tote reden nicht und machen nichts. Aus irgendeinem Grund sind sie dennoch so interessant, dass sie in einer Leichenhalle in Mainz per Video überwacht werden. Auch in einem Krematorium in der Landeshauptstadt hat der Datenschutzbeauftragte des Landes Geräte entdeckt. Sie zeichnen Bilder von Trauernden auf. Solcherlei Umtrieben will Edgar Wagner Einhalt gebieten.

Mehr kleine Beobachter als vermutet



Seine Behörde hat in einer Umfrage bei mehr als 6000 öffentlichen und privaten Stellen zur Video-Überwachung in Rheinland-Pfalz festgestellt, dass es wesentlich mehr kleine "Beobachter" gibt als vermutet. Wagner beziffert die Zahl der Kameras auf 50 000 und stellt dabei fest, dass dies gewaltig untertrieben sein dürfte. Zum Vergleich: In Großbritannien gibt es 4,5 Millionen Videokameras, bundesweit werden 800 000 geschätzt. Zu 90 Prozent sind esGeräte von Privaten, nur zu zehn Prozent von staatlichen Einrichtungen. Tendenz: rapide steigend.

An folgenden öffentlichen Orten gibt es bereits Kameras:

Ministerien: In der Staatskanzlei und in sieben Ministerien gibt es 37 Geräte.

Schulen: In 85 Schulen des Landes sind 192 Kameras installiert (2004: 0). Eingänge, Höfe, Flure, Foyers und Vorräume von Toiletten werden überwacht. In der Region Trier ist die Kamera-Zahl verhältnismäßig gering.

Hochschulen: Alle zwölf Universitäten und Fachhochschulen haben Kameras, insgesamt sind es 250. Eingangs- und Außenbereiche, Labore, Bibliotheken, Spinde und Toilettenvorräume werden überwacht.

Kommunen: 424 Kameras sind in Städten und Gemeinden installiert. Überwacht werden Parkhäuser, Schwimmbäder, Museen oder Liegenschaften.

Verkehrsbetriebe: 289 Kameras gibt es in Bussen, an Haltestellen und Kartenautomaten.

Krankenhäuser: 253 Kameras zeichnen in 31 von 99 befragten Häusern am Eingang auf.

Restaurants: Kameras zählen laut Umfrage zum Standard bei McDonalds, Burger King oder Pizza-Hut und filmen in Imbissen, Eisdielen und Szenekneipen.

Supermärkte/Kaufhäuser: Pro Markt gibt es im Schnitt rund 10 bis 50 Kameras.

Arztpraxen: In Wartezimmern und am Tresen wird häufig überwacht.

Tankstellen: Von den 600 Tankstellen im Land wurden 150 stichprobenartig überprüft. Ergebnis: 100 Prozent aller Markentankstellen haben im Durchschnitt zehn Kameras.

Datenschützer Wagner hält die Video-Überwachung an manchen Stellen durchaus für sinnvoll, etwa in Parkhäusern, Supermärkten oder Bahnhöfen. Sie breite sich jedoch unkontrolliert aus. Zudem sei es nur noch ein kleiner Schritt hin zu einer "intelligenten" Überwachung, bei der die Kameras auf Gesichter oder Bewegungen reagieren. Auch eine Vernetzung der Kameras mit Datenbanken sei bereits machbar. "Dann sind wir beim gläsernen Menschen angekommen."

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