Der Herr des Rings hofft auf die Richter

ADENAU. Droht Schumi & Co auf dem Nürburgring das Aus? Der Beschluss der Europäischen Union, bis spätestens zum 31. Juli 2005 ein Tabakwerbeverbot durchzusetzen, könnte gravierende Folgen für die Formel 1 in Europa haben. Der Trierische Volksfreund sprach mit dem Chef der Nürburgring GmbH, Walter Kafitz.

Sie wollen gegen das Werbeverbot vor den Europäischen Gerichtshof ziehen. Womit begründen Sie diesen Schritt und welche Erfolgsaussichten räumen Sie ihm ein? Kafitz: Die Nürburgring GmbH klagt gegen die EU darauf, dass dieser Beschluss aufgrund der fehlenden Rechtsgrundlage und der nicht vorhandenen Verhältnismäßigkeit für nichtig erklärt wird. Unserer Meinung nach geht es die EU - um es einmal krass auszudrücken - nichts an, wer bei Formel-1-Rennen in Deutschland als Sponsor auftritt, zumal es ja von Seiten der Formel 1 schon eine Beschränkung ab Oktober 2006 geben wird. Unserer Meinung nach wären bei der Durchsetzung dieses Beschlusses auch das Eigentumsrecht und das Recht auf freie Meinungsäußerung berührt. Die Nürburgring GmbH würde in einem solchen Fall unverschuldet hohen wirtschaftlichen Schaden erleiden. Die Betreiber der Rennstrecken von Hockenheim und Zandvoort werden unsere Klage als Streithelfer mit unterstützen. Auch die Bundesregierung wird gegen dieses Vorhaben juristisch vorgehen. Die Aussichten kann man schwer beurteilen, aber es geht uns und allen Beteiligten in erster Linie um eine massive juristische Präsenz gegen die Durchsetzung dieses Ministerrats-Beschluss. Sie haben in den vergangenen acht Jahren 50 Millionen Euro in den Ausbau der Rennstrecke investiert. Wären diese Gelder bei einem Ende der Formel-1-Ära auf dem Nürburgring quasi in den Sand gesetzt worden? Kafitz: Nein, auf gar keinen Fall. Nicht ein einziger Euro wurde speziell für die Formel 1 ausgegeben, obwohl dieser Lauf natürlich erheblich davon profitiert. Zehn Millionen Euro haben wir in die Nordschleife gesteckt, die restlichen 40 Millionen gingen in erster Linie in das neue Boxengebäude, neue Tribünen und in die Streckenführung. Von diesen modernen Rahmenbedingungen zehren in erster Linie das 24-Stunden-Rennen, der Truck-Grand-Prix oder die Langstreckenmeisterschaft. Wir haben mit diesen Investitionen unseren weltweit ersten Platz in diesem Szenario behauptet. Die Formel 1 auf dem Nürburgring hat eine enorme wirtschaftliche Bedeutung für die Menschen in der strukturschwachen Region Nordeifel. Ließe sich der materielle Schaden in Zahlen ausdrücken, falls es nicht zu einer Vertragsverlängerung käme? Kafitz: Gehen Sie einmal von Mindereinnahmen in einer Höhe von etwa 70 Millionen Euro aus. Die Senkung der Nettowertschöpfung aus den Einnahmen eines Formel-1-Rennens läge für die betroffenen Dienstleister und Gewerbetreibenden in den drei Landkreisen rund um den Nürburgring bei etwa zehn bis 15 Millionen Euro. Der Kartenvorverkauf für das Rennen am Wochenende lief nicht so gut wie in den vergangenen Jahren. Sie rechnen zwar immer noch mit weit mehr als 100 000 Zuschauern, aber es wird keinen ausverkauften Nürburgring geben. Wie kann man Ihrer Meinung nach dieser Entwicklung entgegen wirken? Kafitz: Es ist nun einmal so, dass die Menschen im Moment aufgrund der allgemeinen Wirtschaftslage weniger Geld ausgeben als zuvor. Das ist aber kein Nürburgring-spezifisches Problem. Dennoch werden wir handeln. Wir haben beschlossen, dass wir für 2004 die Preise nicht erhöhen werden. Die Formel 1 orientiert sich immer mehr in Richtung ferner und mittlerer Osten. Bereits im nächsten Jahr werden Rennen in Schanghai und Bahrain stattfinden. Hat Europa überhaupt noch eine Chance, den gleichen Anteil an Rennen wie bisher für die Zukunft zu erhalten? Kafitz: Ein bisschen Luft hat Europa sicher noch, aber wer soll Platz machen für die neuen Rennen? Einige kleinere Länder werden sicherlich wegfallen. In Österreich wurde in diesem Jahr bereits zum letzten Mal gefahren. Auch Budapest und Imola sind in der Diskussion. Was mit Spa wird, ist noch fraglich. Es wird in absehbarer Zukunft sicherlich weniger Formel-1-Rennen in Europa geben. Wie müssten Sie im Falles des Wegfalls der Formel 1 Ihr Konzept neu überdenken und ordnen? Kafitz: Wir können natürlich keine Interna aus unseren wirtschaftlichen Strukturen preis geben, aber wir müssten Wertschöpfungen aus zusätzlichen Veranstaltungen anstreben. Dazu zählen vor allen Dingen Ereignisse mit Event- oder Freizeitcharakter. Wir haben neben der sportlichen auch eine wirtschaftliche Verantwortung für die Menschen in dieser Region, und die werden wir in jedem Falle wahrnehmen. S Mit Nürburgring-Manager Walter Klavitz sprach unser Mitarbeiter Jürgen C. Braun.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort