Der Horst hat stets das letzte Wort

Potsdam · Nach allem Streit über die Flüchtlingspolitik wollen sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und der CSU-Chef Horst Seehofer wieder zusammenraufen. Ob das klappt, ist offen.

Potsdam. Die Glocken der Inselkirche auf Hermannswerder bei Potsdam erklingen oft an diesem Samstag, auch als Horst Seehofer gerade den Schauplatz des CDU/CSU-Friedensgipfels verlassen will. "Als ich kam, ging es gestern auch schon los", witzelt der Bayer, ganz so, als gelte ihm das Geläut. Tatsächlich sind einige Hochzeiten und ein Abiturgottesdienst der Grund. Doch die feierliche Untermalung passt ganz gut zum Ablauf des Treffens. Der Streit zwischen den Schwesterparteien ist vorerst beendet, auch der zwischen Seehofer und Angela Merkel. War was?
Kein Wort habe man über die Vergangenheit verschwendet, sagt Seehofer hinterher und macht eine wegwerfende Bewegung. Teilnehmer der 20-köpfigen Runde bestätigen das. Also hat die CSU nicht von Angela Merkel gefordert, sich für die Öffnung der Grenzen im letzten Herbst zu entschuldigen. Auch hat sie für die Zukunft keine Obergrenzen für Flüchtlinge verlangt. Das ganze Thema spielte überhaupt erst am zweiten Tag nur kurz eine Rolle. Der "Brexit" überlagerte alles.
Dass man sich darüber sofort nach der britischen Entscheidung so intensiv habe austauschen können, sei ein Glücksfall gewesen, findet der CSU-Europapolitiker Manfred Weber. "Der ursprüngliche Anlass mag vielleicht etwas aus der Zeit gefallen sein; das Treffen selbst war aber brandaktuell", sagt er. In Potsdam beweisen CDU und CSU einmal mehr, dass sie sozusagen aus Stroh Gold machen können. Der vergangene Streit wird einfach positiv gedreht. Seehofer sagt, erstens sei die Auseinandersetzung "kein Pipifax" gewesen, "es hat sich ja viel getan". Und zweitens zeichne es Politiker aus, so etwas zu überwinden. "Das hat mit Stil und Format zu tun." So wird aus einer unseligen Auseinandersetzung, die Deutschland monatelang beschäftigte, noch eine große Leistung. Angela Merkel ernennt die Debatte um Grundsatzfragen, in denen sich CDU und CSU nicht einig sind, kurzerhand zur Diskussion um "Megatrends", bei der die Union "führen" und "lotsen" wolle. "Sehr intensiv, sehr ernsthaft, sehr konstruktiv" habe man geredet, sagt die Kanzlerin. Auch Seehofer findet, eine so "anspruchsvolle Diskussion" habe er im politischen Betrieb selten erlebt.
Es war wohl wirklich mehr eine Klausuratmosphäre als eine Abrechnung. Ein Bootsausflug mit anschließender kleiner Grillparty am Freitagabend sowie die malerische Umgebung sorgten dafür, dass sich alle wohl ühlten. Jetzt sollen Kongresse veranstaltet werden. Und dann? Ob CDU und CSU am Ende ein gemeinsames Wahlprogramm formulieren werden, ist auch nach Potsdam offen. Immerhin sagt Horst Seehofer, Ziel sei, dass "am Ende ein Angebot für das bürgerliche Lager in Deutschland" stehen soll. Also nicht zwei. "Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit", schränkt er ein. Mit Angela Merkel als Kanzlerkandidatin? "Eine EM beginnt auch nicht mit dem Finale. Wir sind in der Gruppenphase". Diese Frage hält er sich offen.
Man merkt dem Chef der Christsozialen an, wie sehr er es genießt, hier auf gleicher Augenhöhe mit der Kanzlerin zu verhandeln. Und ihr, wie sehr sie der Termin nervt. Selten hat Angela Merkel eine Pressekonferenz lustloser absolviert. Als sie die letzte Frage nach dem Zeitpunkt des Austrittsantrages Großbritanniens beantwortet hat ("Ich werde mit jetzt nicht wegen einer kurzen Zeit verkämpfen") und die Pressekonferenz schon für beendet erklärt, holt er sich das Mikrofon. "Moment, wenn du noch kurz warten willst". Und redet dann zu dem Thema länger als die Kanzlerin. Seehofer beansprucht eben das letzte Wort. Auch in Europafragen.

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