Der Kanzler und sein grünes Zugpferd

BERLIN. Die frühe Ankündigung von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), 2006 nochmals gemeinsam mit Außenminister Joschka Fischer (Grüne) anzutreten, trifft in den eigenen Reihen auf Beifall. Die Opposition gibt sich unbeeindruckt.

Joschka Fischer brauchte wochenlang, bis er sich durchgerungen hatte. Zu gerne wäre der deutsche Außenminister in die noch bedeutendere Rolle des europäischen Außenministers geschlüpft, hätte seine sagenhafte Karriere vom Taxifahrer zum Staatsmann mit Leidenschaft im Herzen Europas gekrönt. Doch die Umstände wollten nicht, dass der Grünen-Patriarch nach Brüssel wechselt, zu viele Widrigkeiten standen im Weg. Also beschloss Fischer, sanft gedrängt vom Freunde Gerhard Schröder, ein Bekenntnis abzulegen. Da auch die Entscheidung des Kanzlers gereift war, vereinbarte das rot-grüne Duo endgültig, im Jahre 2006 noch einmal durchzustarten und zur Bundestagswahl anzutreten. Schon vor einer Woche hatten SPD-Fraktionschef Franz Müntefering und Generalsekretär Olaf Scholz bekundet, Schröder werde 2006 abermals kandidieren. Der Kanzler antwortete am Montag auf entsprechende Nachfragen noch ausweichend - und machte dann am Donnerstag einen Fehler: Im Interview mit dem Sender RTL sagte er zur Zukunft des Außenministers, darüber werde sich Fischer "zunächst einmal selber äußern". Daraufhin nahmen die Dinge ihren Lauf: Journalisten begehrten im Außenministerium Auskunft, und Fischer, der eigentlich am Wochenende ein Nachrichtenmagazin exclusiv mit der Nachricht seines Bleibens füttern wollte, "konnte nicht mehr dementieren" (ein Sprecher). Die Meldung war in der Welt, und Kanzleramt, Bundespresseamt, Willy-Brandt-Haus und Außenministerium vereinbarten eilig eine Sprachregelung: "Never change a winning team." Auch wenn sich die etwas perplexe Opposition nach außen hin unbeeindruckt zeigte: Eine gewisse Wirkung hatte das rot-grüne Personalmanöver schon. Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel äußerte am Freitag zwar "erhebliche Zweifel" an Fischers Absicht, auf Brüssel zu verzichten ("Da glaube ich nicht lange dran"), und CSU-Chef Edmund Stoiber ("völlig daneben") sowie FDP-Chef Guido Westerwelle ("eine Bedrohung für unser Land") übten wie erwartet heftige Kritik. Doch war Merkel nunmehr gezwungen, ihrerseits Stellung zum Personaltableau der Union zu beziehen. Den eigenen Kandidaten werde man "frühestens" im Jahr 2005 benennen, sagte sie bei RTL. Interessanter waren allerdings zwei weitere Hinweise: Sie gehe davon aus, sagte die CDU-Vorsitzende, dass der KollegeStoiber nach seinem erwarteten Wahlsieg im September eine weitere volle Periode als Ministerpräsident in Bayern tätig sein werde. Und was das Amt des Bundespräsidenten angehe, habe sie nicht die Absicht, dafür zu kandidieren…

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