Der lange Weg durch die Instanzen

Washington · Anhörung in Washington macht klar: Streit um Trumps Einreisesperre dürfte erst vor dem obersten US-Gericht enden.

Washington Sicher ist nur, dass nichts sicher ist. Wie es ausgeht im Rechtsstreit um die von Donald Trump verfügte Einreisesperre, hängt in der Schwebe, erst recht nach einer Anhörung vor einem Berufungsgericht in San Francisco. Eines zeichnet sich indes immer deutlicher ab: Wer auch immer verliert, dürfte Einspruch einlegen, sodass der Weg durch die Instanzen wohl erst vor dem Supreme Court der USA endet.
Es sind drei Richter, die sich in der Nacht zum Mittwoch bei einer live im Fernsehen übertragenen Telefonkonferenz anhören, wie beide Parteien ihre Positionen begründen, einerseits das Weiße Haus und andererseits der Pazifikstaat Washington, der gegen den Einreisestopp geklagt hatte. Im Kern geht es darum, ob das Kabinett Trump die Verfassung verletzt, indem es die Religionsfreiheit missachtet. Ob Muslime als solche diskriminiert werden, wenn der Präsident Bürger aus sieben Ländern mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit 90 Tage lang nicht in die Vereinigten Staaten einreisen lässt.
Dies sei gewiss nicht der Fall, argumentiert August Flentje, ein Jurist des Justizministeriums, der die Regierung vertritt. Worauf Richard Clifton, ein von George W. Bush ernannter Bundesrichter, mit bohrenden Fragen zurückblendet auf die Wahlschlacht. Ob Flentje etwa bestreiten wolle, dass der Präsidentschaftsbewerber Trump genau das propagiert habe, nämlich einen "Muslim-Bann" ohne Ausnahmen. Ob er in Abrede stelle, dass die Ende Januar unterzeichnete Order zurückgehe auf diesen Ansatz? Was folgt, ist ein verbaler Eiertanz, der in die Annalen der Rechtskunde eingehen dürfte.
Es sei ungewöhnlich, nur ein paar Zeitungsartikel heranzuziehen, um eine Order des Staatschefs anzufechten, versucht sich Flentje aus der Affäre zu ziehen - auf Presseberichte über den Vorschlag des Kandidaten Trump anspielend. Worauf Noah Purcell, der ranghöchste Anwalt des Bundesstaats Washington, in seiner Erwiderung geltend macht, dass der Milliardär seiner Rhetorik schon bald konkrete Anweisungen folgen ließ. Sein - eher unfreiwilliger - Kronzeuge ist Rudy Giuliani, der sich eine Zeit lang Hoffnungen auf den Posten des Justizministers der neuen Administration gemacht hatte. Der hatte in einem Interview nicht den leisesten Zweifel daran gelassen, dass es sich bei dem aktuellen Dekret um eine reduzierte Variante des damaligen Pauschalverbots handelt. "Als Trump es zum ersten Mal verkündete, sagte er ‚Muslim-Bann‘", zitiert Purcell den früheren Bürgermeister New Yorks. "Er sagte, gründet eine Kommission und zeigt mir einen Weg, wie ich es juristisch bewerkstelligen kann."
Auch Purcell hat allerdings Mühe, sein Kernargument hieb- und stichfest zu belegen. Ob denn wirklich von einer Diskriminierung von Menschen muslimischen Glaubens die Rede sein könne, wenn sich das Dekret nur gegen ungefähr 15 Prozent aller Muslime der Welt richte, hakt Clifton nach. Es falle ihm schwer, feindselige Absichten gegenüber einer Religion zu erkennen, wenn die große Mehrheit derer, die sie praktizierten, von dem Verbot ausgenommen sei.
Warum aber ausgerechnet Iraner, Iraker, Jemeniten, Libyer, Somalier, Sudanesen und Syrer auf den Index setzen? Wo doch 15 der 19 Attentäter vom 11. September 2001 aus Saudi-Arabien stammten? Wie das Weiße Haus beweisen könne, dass es zwischen den sieben genannten Staaten und dem Terrorismus Verbindungen gebe, will Michelle Friedland wissen, eine Juristin, die Barack Obama an den für den amerikanischen Westen zuständigen "Court of Appeals" in San Francisco berufen hatte. Erkennbar angestrengt nach Beispielen suchend, verweist Flentje auf jene in den USA lebenden Somalier, die der islamistischen Al-Schabab-Miliz zuzurechnen seien. "Ich bin nicht sicher, dass ich das Gericht überzeugt habe", räumt er irgendwann ein. Noch diese Woche soll das Urteil verkündet werden.

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