Der "lauwarme" Favorit legt los

Paris · Wenige Tage vor den Vorwahlen der französischen Konservativen liegt Ex-Regierungschef Alain Juppé in Umfragen vorn. Sein Lager macht vor allem gegen den Rivalen Sarkozy mobil.

Paris. Ist das der nächste Präsident Frankreichs, der da am Montagabend um 21.30 Uhr die Bühne des Zénith betritt? Sichtlich zufrieden schaut Alain Juppé in den Pariser Konzertsaal, dessen 6000 Plätze dicht besetzt sind. Genauso wie im Oktober bei einer Wahlkampfveranstaltung seines Rivalen Nicolas Sarkozy, dessen Anhänger Juppé nicht zugetraut hatten, die roten Plastiksitzreihen ebenfalls zu füllen. "Mit euch bin ich super gut drauf", sagt der 71-Jährige gleich zu Beginn der Ansprache. Routiniert spult der frühere Regierungschef, der schon seit mehr als 30 Jahren in der Politik ist, danach sein Programm ab.
Zwei Jahre lang hat der Favorit sich auf den 20. und 27. November vorbereitet. Er weiß: Die Vorwahlen, die die konservativen Republikaner erstmals zusammen mit den Zentrumsparteien abhalten, sind mehr als eine Entscheidung über den Präsidentschaftskandidaten. Sie bestimmen mit großer Wahrscheinlichkeit den nächsten Staatschef. Der rechtspopulistische Front National kann laut Umfragen 2017 ebenso wenig gewinnen wie die zerstrittenen Sozialisten.

Schlammschlachten vermieden


Juppé ist dagegen ohne Patzer durch den Vorwahlkampf gekommen, in dem er jede Schlammschlacht mit den sechs anderen Bewerbern sorgfältig vermied. Doch sein Vorsprung schmilzt: Um sechs Prozentpunkte sackte der Bürgermeister von Bordeaux innerhalb einer Woche ab. Mit Sorge schauen Juppés Berater deshalb in die USA, wo die lange führende Hillary Clinton auch gegen Donald Trump verlor. Eine schweigende Mehrheit stimmte für den Immobilientycoon - ein Effekt, auf den Sarkozy am Sonntag bei der ersten Runde der Vorwahl hofft.
Deshalb machen die Juppé-Anhänger gegen den Ex-Präsidenten mobil. "Frankreich braucht keinen Mini-Trump im Élysée", sagt der Chef der Zentrumspartei UDI, Jean-Christophe Lagarde. "Wir wollen keinen Präsidenten, der jeden Morgen mit der extremen Rechten flirtet." Auf solche Sätze haben die Zuhörer gewartet, die die Gegnerschaft gegen Sarkozy zusammengeführt hat.
Der Hass auf den Ex-Präsidenten hat auch Anhänger der Sozialisten in den Konzertsaal im Norden von Paris getrieben. "Ich habe 2012 Hollande gewählt", sagt der 31-jährige Mathieu, der von zwei Freunden begleitet wird. "Ich bin überhaupt kein Republikaner, aber ich werde diesmal für Juppé stimmen."
Rund zehn Prozent der Wähler, die 2012 für den Sozialisten François Hollande votierten, könnten an den Vorwahlen der Konservativen teilnehmen. Ihr Ziel: einen Sieg von Nicolas Sarkozy verhindern.

Als der Name des Ex-Präsidenten vor dem Pariser Publikum fällt, werden Buh-Rufe laut. Juppé, den seine Gegner als "lauwarm" kritisieren, nimmt nie den Namen seines aggressiven Rivalen in den Mund. "Spalten ist ein gefährliches politisches Spiel", warnt der frühere Regierungschef stattdessen nur. Sarkozy spielt dieses Spiel, wenn er kaum verhüllt gegen Muslime hetzt und auf den gallischen Wurzeln der Einwanderer beharrt.
Den Begriff der "glücklichen Identität", sein Konzept eines harmonischen Zusammenlebens, nimmt der Bürgermeister von Bordeaux am Montag nicht in den Mund. Stattdessen erklärt der Politiker wie immer kühl und distanziert seinen Kampf an zwei Fronten: gegen die verkorkste Präsidentschaft Hollande und den Front National.
Umfragen sagen Juppé die besten Chancen voraus, im nächsten Jahr gegen Front-National-Chefin Marine Le Pen zu gewinnen. Seine Strategie einer klaren Abgrenzung zu den Rechtspopulisten scheint eher aufzugehen als die von Sarkozy, der sich mit seinen Parolen kaum noch von Le Pen unterscheidet. "Wir sind nicht alle gleich", sagt Juppé zum Ende seiner 40-minütigen Rede.
Keine großen Gefühle


"Wir haben nicht alle dieselbe Herkunft, dieselbe Hautfarbe, dieselbe Religion. Diese Verschiedenartigkeit ist unser Reichtum." Applaus brandet auf. "Juppé président!" ruft das Publikum. Es hätte ein großer Moment werden können, doch Juppé bleibt nüchtern: Große Gefühle sind nicht seine Sache.

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